EU-weiter digitaler Impfpass: Zu spät für den Urlaub?
Die Mitgliedsländer verhandeln noch mit dem Parlament, etwa über kostenlose PCR-Tests für ungeimpfte Reisende. Sorgen macht der deutsche Zeitplan.
Bisher war geplant, dass alle 27 EU-Länder bis Juni ein „digitales grünes Zertifikat“ (so der offizielle Titel) einführen, auf dem Impfungen, Tests und eine überstandene COVID-19-Krankheit verzeichnet sind. Damit sollen Reisen erleichtert werden, Coronatests und Quarantänen sollen entfallen.
Vor allem die Urlaubsregionen in Südeuropa setzen große Hoffnungen in das EU-Zertifikat. Deutschland hingegen war von Anfang an skeptisch – und könnte nun zum Spielverderber werden.
Bei den Verhandlungen mit dem Europaparlament setzte die Bundesregierung durch, dass den EU-Staaten bei der Umsetzung eine Übergangsfrist von bis zu sechs Wochen eingeräumt wird. Berlin hätte so theoretisch bis Mitte August Zeit, um die Daten über Geimpfte, Getestete und Genesene zu digitalisieren. Der deutsche Impfpass käme damit aber viel zu spät für die Sommerferien.
Peter Liese (CDU), Europaabgeordneter, zum deutschen Zeitplan
„Ich hoffe und bete, dass das schneller geht“, kommentiert der Europaabgeordnete Peter Liese die Probleme. Der Datenschutz und der Föderalismus dürften den Impfpass nicht ausbremsen, fordert der CDU-Experte. Schließlich gehe es um die Glaubwürdigkeit. Es könne nicht sein, dass die Bürger anderer EU-Staaten von dem Impfzertifikat profitieren, Deutsche aber nicht.
Deutschland ist jedoch nicht das einzige Sorgenkind. Für Ärger sorgt auch der Ministerrat – also die Vertretung aller EU-Länder. In den Verhandlungen mit dem Europaparlament stellt sich der Rat stur. Trotz eines Kompromissangebots gebe es „noch keinen weißen Rauch“, erklärte die liberale Europaabgeordnete Sophie in’t Veld nach einer Vermittlungsrunde („Trilog“) am Dienstag.
Das Parlament fordert unter anderem, kostenlose Coronatests für nicht geimpfte Reisende einzuführen. Eine fünfköpfige Familie könne sich die kostspieligen PCR-Tests nicht leisten und deshalb nicht in Urlaub fahren, argumentieren die Abgeordneten. Die meisten EU-Staaten wollen die Rechnung jedoch nicht bezahlen. Hier hat das Parlament nun eine EU-Finanzierung ins Spiel gebracht.
Denkbar wäre etwa, ein in der Coronakrise geschaffenes „Soforthilfeinstrument“ anzuzapfen. Es wurde bisher vor allem für die Beschaffung von Impfstoffen und Antigen-Schnelltests genutzt, aber auch zum Ausbau von Testkapazitäten. Die EU-Botschafter wollten diesen Vorschlag am Mittwoch prüfen, bevor es am Donnerstag in den nächsten und wohl entscheidenden Trilog geht.
Nächste Woche treffen sich die Staaten zum Sondergipfel
Streit gibt es auch über die Frage, ob die EU-Staaten auch künftig Coronatests oder eine Quarantäne von Einreisenden verlangen können, die laut ihrem grünen Zertifikat nachweislich geimpft oder negativ getestet sind. Das Parlament hatte dies zunächst vehement abgelehnt. Mit europäischen Regeln müssten auch europäische Rechte verbunden sein, hieß es. Nun zeigen sich die Abgeordneten aber kompromissbereit.
Die Regierungen könnten auch für Inhaber des Zertifikats zusätzliche Beschränkungen beschließen, erklärten sie. Dafür müsse aber eine wissenschaftliche Empfehlung der für COVID-19 zuständigen EU-Behörde ECDC vorliegen. Allerdings werden die Empfehlungen von ECDC nicht immer befolgt. Auch das deutsche RKI setzt sich über die Vorgaben hinweg.
Viel Zeit für eine Einigung bleibt nicht mehr. Am Montag und Dienstag treffen sich die Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel. Dann muss sich zeigen, was aus dem Versprechen der unbeschwerten Sommerreise geworden ist.
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