piwik no script img

EU verliert BestnoteRatingagentur erniedrigt Europa

Standard & Poor's stuft während des Gipfels die Kreditwürdigkeit der EU herab. Das könnte die Finanzierung von Krediten erschweren.

Nicht das erste umstrittene Downgrade: Proteste gegen Standard and Poor's in Paris im Januar 2012. Bild: rtr

BRÜSSEL taz | Das hatte gerade noch gefehlt: Nachdem der EU-Gipfel in Brüssel wieder einmal Uneinigkeit in allen wichtigen Fragen gezeigt hatte, stufte die US-Ratingagentur Standard & Poor’s die Bonität der Europäischen Union herab. Statt der Bestnote „AAA“ wird die Kreditwürdigkeit nur noch mit „AA plus“ bewertet.

Zur Begründung führten die Amerikaner das schrumpfende EU-Budget und die nachlassende finanzielle Solidarität unter den 28 EU-Staaten an. Auf Druck des britischen Premiers David Cameron hatte sich die EU im Frühjahr auf eine fünfprozentige Kürzung des Budgets für 2014-2020 geeinigt.

Zudem hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusätzliche Hilfen für Krisenländer - etwa über ein neues Euro-Budget - abgelehnt. Zuvor waren bereits Frankreich und die Niederlande herabgestuft worden. In der Eurozone haben nun nur noch Deutschland, Finnland und Luxemburg die Topnote bei der Kreditwürdigkeit, die mit „AAA“ bezeichnet wird.

Großbritannien erhält zwar auch noch ein Triple-A, könnte dieses aber bald verlieren, warnt die Ratingagentur. „Wir glauben, dass sich die finanzielle Lage der EU verschlechtert und der Zusammenhalt der Mitgliedstaaten verringert hat", schreiben die S&P-Experten.

Währungskommissar Rehn versteht die Welt nicht mehr

In der EU stieß die Entscheidung auf Unverständnis. Die EU habe weder ein Defizit noch Schulden, sagte Wirtschaftskommissar Olli Rehn. Auch um die Beitragszahlungen der EU-Staaten müsse es keine Sorgen geben: „Alle Mitgliedstaaten haben immer und auch in der Finanzkrise ihre erwarteten Beiträge zum Haushalt vollständig und pünktlich gezahlt.“

Das Downgrading könnte die Finanzierung von Krisenhilfen an Länder wie Griechenland oder Portugal erschweren. Außerdem erschwert es neue Hilfen, über die die EU-Chefs derzeit diskutieren. Sie wollen „Solidaritätsmechanismen“ aufbauen, um reformwillige Euroländer zu stützen. Zur Finanzierung sind unter anderem EU-Anleihen im Gespräch. Diese würden sich durch die Herabstufung verteuern.

Standard & Poor’s platzt regelmäßig mit seinen umstrittenen Bewertungen in die Treffen der EU-Chefs. Während der Eurokrise hatten die Downgradings für Länder wie Griechenland oder Portugal für massiven Ärger gesorgt. Die EU schwor zwar, gegen die oft willkürlichen Urteile vorzugehen, zum Beispiel durch eine eigene mächtige Ratingagentur, doch geändert hat sich nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Merkt eigentlich keiner, dass die USA mit Russlandhetze und Ratingagenturen Europa kaputt machen will ? Amerika sollte erst mal vor der eigenen Tür kehren, bedenkt man, wie hoch die verschuldet sind. Diese Nation ist die reinste Anmaßung.

  • KA
    kaì angini

    Solange sich Europa nicht mit einer eigenen Ratingagentur, besser zweien, "emanzipiert", wird es diese Effekte geben.

    Hat es erst einmal eine solche, kann es beliebigen US-Unternehmen und auch den USA selbst eine schlechtere Bonität bescheinigen. Vielleicht hat ja dann das extreme Gelddrucken dort ein Ende. Auch möglich, dass verschiedene Kreise in den Vereinigten Staaten dann verhandlungsbereiter über andere Themen sind, um wieder eine bessere Bonität zu bekommen. Um das erreichen, könnte es notwendig sein, so glaube ich, eine europäische Supermacht zu schaffen, die sich auch wie eine solche gebährdet. Ein ziemlich hoher Preis für ein besseres Rating. Ok, Ende des Säbelrasselns. Und: wer will es sich schon mit Europa verscherzen?

  • SM
    Sucht mal nach TIPP und geheime Gerichte

    Es wird sich bei uns in der EU nichts ändern, solange unsere Politiker sich am laufenden Band von den Amis verarschen lassen und an der Abzockergesellschaft und exponentiellen Schuldenpolitik festhalten.

  • ZC
    Zeno Cosini

    Eine Anmerkung zum Sprachgebrauch. Im Kopf des Artikels steht 'Finanzierung von Krediten'.

    Eine Finanzierung von Krediten wäre dann eine Refinanzierung. Gemeint ist hier aber sicher eine Finanzierung mit Krediten (= durch Kredite). Ja, die Sprache. Arme Journalisten mit Zeitdruck. Das haben früher alles die braven Setzer ausgeputzt.

  • Warum sind unsere Versicherungen immer noch verpflichtet, sich mit ihrem Anleihenkauf nach den Bewertungen dieser Betrügeragenturen zu richten? Warum gibt es keine europäische Alternative? Los, antwortet schon, ihr jammervoller und korrupter deutscher/europäischer Politikerhaufen!

    • B
      blacky
      @XXX:

      Lieber XXX

      Das Problem ist, dass zumindest im Fall der EU eine europäische Ratingagentur gar nichts ändern würde. Der Downgrade der EU ist ökonomisch absolut gerechtfertigt. Soviel Mist S&P auch gebaut hat: hier, wie auch im Fall Frankreichs liegen sie absolut richtig.