piwik no script img

EU und VerteidigungEin starker Partner für die Nato

Brüssel will mehr militärische Aufgaben übernehmen. Bei der Cyberabwehr und dem Kampf gegen Desinformation soll die Zusammarbeit ausgebaut werden.

Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel während des EU-Gipfels am 26.Februar Foto: Johanna Geron/AP/reuters

Brüssel taz | Europa macht mobil: Nach dem Kampf gegen die Coronapandemie hat sich die Europäische Union nun auch der militärischen Verteidigung verschrieben. Europa wolle ein starker Partner der Nordatlantik-Allianz sein, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Vor allem bei der Cyberabwehr und dem Kampf gegen Desinformation soll die Zusammenarbeit ausgebaut werden, hieß es nach einem zweitägigen Videogipfel.

Die EU, einst eine rein zivile Organisation und sogar 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, will zudem mehr Aufgaben bei Rüstung und Verteidigung übernehmen. Welchen Beitrag sie dabei genau leisten kann und gegen wen man sich schützen will, soll ein „Strategischer Kompass“ definieren. Er werde im März 2022 vorgelegt, sagte Michel. Der „Kompass“ stützt sich auf eine geheime Bedrohungsanalyse, in der Russland und China – wie in der Nato – als Hauptgegner beschrieben werden.

Das Hauptthema des zweitägigen virtuellen Gipfeltreffens war jedoch Corona. Die 27 EU-Staaten wollen ihre Zusammenarbeit ausbauen und verstärkt gegen die verschiedenen Mutationen des Virus vorgehen. So stellten sich die Staats- und Regierungschefs hinter den Vorschlag der EU-Kommission, nach dem Vorbild der amerikanischen Barda eine eigene Behörde aufzubauen, die sich mit der Pandemie beschäftigt. Sie soll Hera heißen und mit privaten Firmen zusammenarbeiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte auch die neue Coronataskforce der EU-Kommission. Sie soll sicherstellen, dass alle für die Impfstoffproduktion nötigen Produkte in Europa verfügbar sind. Deutschland und die EU würden hierbei eng zusammenarbeiten, sagte Merkel. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte ihr Versprechen, bis zum Ende des Sommers 70 Prozent der EU-Bevölkerung geimpft zu haben. Bisher geht es mit den Impfungen jedoch nur schleppend voran.

Digitaler Ausweis

Kaum Fortschritte brachte die Debatte über Impfausweise. Die EU-Kommission wurde beauftragt, die technischen Details für einen europaweit einsetzbaren digitalen Ausweis auszuarbeiten. Dies dürfte drei Monate dauern, sagte Merkel. Dagegen dämpfte von der Leyen die Erwartungen: Es werde „mindestens“ drei Monate dauern. Bisher hat es Brüssel nicht einmal geschafft, eine gemeinsame Coronatracking-App an den Start zu bringen.

Zudem ist unklar, wofür ein solcher Impfpass am Ende gut sein kann. Österreich, Griechenland und andere stark vom Tourismus abhängige Länder hatten vor dem EU-Gipfel einen sogenannten grünen Pass nach dem Vorbild Israels gefordert. Dort erlaubt der Ausweis etwa Besuche in Fitnessstudios, Schwimmbädern, Theatern, Restaurants oder Hotels. Griechenland brachte auch eine beschleunigte Abfertigung von Passagieren mit Impfpässen an Flughäfen ins Spiel.

Andere Länder, darunter Frankreich und Deutschland, stehen diesen Ideen noch skeptisch gegenüber. „Wir setzen uns sehr dafür ein, dass sich die Mitgliedstaaten in dieser Frage annähern“, sagte Michel. Dennoch werde es auch nach einer Einigung nicht so sein, dass der Impfpass alleine darüber bestimme, wer reisen könne, betonte Merkel. Dazu könnten auch Tests beitragen. Die Kanzlerin verweist auf Kinder, die sich derzeit gar nicht impfen lassen könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ahja, der Friedensnobelpreisträger 'EU' wird also sowas wie ein NATO-Mitglied...?!?



    NEIN DANKE!



    Zwar finde ich den Gedanken, daß man in Europa die europäischen Interessen (incl Verteidigung) selber regeln sollte, gut und richtig. Aber die NATO kann dieses Instrument nicht sein, weil dieser Verein von Washington dominiert wird. Konsequent wäre eine Auflösung der NATO (so, wie es dem Warschauer Pakt auch ergangen ist), und eine Neudefinition eines europäischen Verteidigungsbündnisses. Das sollte aber eher minimalistisch sein; auch wenn die Grosswetterlage derzeit düster ist (Nawalny lebt ja immerhin noch; Kashoggi wurde zu Hackfleisch verarbeitet!).



    Aber nebenbei gefragt: wie würde sich eine Militarisierung der EU mit dem österreichischen Staatsvertrag von 1955 vertragen? Da wurden die 4 österreichischen Besatzungszonen wiedervereinigt, unter der Bedingung aussenpolitischer und militärischer Neutralität. Erinnert sich da noch jemand...?!?