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EU reagiert verhalten auf KatalonienPolitikverweigerung in Brüssel

Die Sezession wurde aufgeschoben, Brüssel schweigt. Europa-Abgeordnete fordern Neuwahlen in Spanien und eine Schlichtung durch die EU.

Parlamentspräsidentin Carme Forcadell unterschreibt in Barcelona ein als Unabhängigkeitserklärung bezeichnetes Dokument Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Auch am Tag danach wahrt Brüssel sein Schweigen. Weder EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker noch Ratspräsident Donald Tusk wollte sich am Mittwochmorgen zur aufgeschobenen Unabhängigkeits-Erklärung der Katalanen äußern. Juncker ließ sogar Meldungen dementieren, dass er das Gespräch mit den katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont gesucht habe. „FAKE NEWS. @JunckerEU not speaking to @KRLS“, twitterte eine Kommissions-Sprecherin.

Dabei kommt Puigdemonts Entscheidung, die Sezession zunächst nicht zu vollziehen, der EU weit entgegen. Noch am Dienstag hatte Ratspräsident Tusk an Puigdemont appelliert, keine Entscheidung zu treffen, „die den Dialog unmöglich machen würde“. In Europa solle man immer danach schauen, „was uns vereint“, forderte der polnische EU-Politiker. In Barcelona ist dieser Appell offenbar angekommen.

Doch wird er auch in Madrid erhört, willigt nun auch Regierungschef Mariano Rajoy in Verhandlungen ein? Auf diese Frage hat man in Brüssel noch keine Antwort – und so lange diese nicht vorliegt, möchte man sich auch nicht äußern. Vor allem Juncker hat bis zuletzt den Schulterschluss mit Rajoy gesucht. Auch die konservative Europäische Volkspartei (EVP) – in der auch CDU und CSU mitarbeiten – stützte den starrsinnigen Spanier.

Doch das könnte sich nun ändern. So forderte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok Neuwahlen in Spanien und damit auch in Katalonien. „Ich würde Neuwahlen als den geeigneten Weg ansehen“, sagte Brok am Mittwoch im Südwestrundfunk (SWR). Möglicherweise werde Rajoy den Weg dafür schon an diesem Mittwoch frei machen. Einer Vermittlung durch die EU werde er aber sicher nicht zustimmen, so Brok.

Grüne und Linke fordern Schlichtung

Genau das sei jetzt aber gefragt, meinen Grüne und Linke im Europaparlament. Die EU müsse endlich ihre Zurückhaltung aufgeben und sich um eine Schlichtung bemühen.

Allerdings hagelt es auch Kritik am Vorgehen der Katalanen. Grünen-Europachef Reinhard Bütikofer warf Puigdemont vor, mit gezinkten Karten zu spielen. Statt der offenen Konfrontation habe er „einen politischen Schwindel gewählt“, sagte Bütikofer. „Das ist der Trick eines Hasardeurs, der eigentlich mit seinem Latein am Ende ist.“ Die Gefahr einer politischen Explosion sei damit noch nicht gebannt. Umso wichtiger sei es, dass sich die EU einschalte.

Ich würde Neuwahlen als den geeigneten Weg ansehen

Elmar Brok

Doch die wartet auf Rajoy, der sich am Mittwochmittag auf einer Pressekonferenz äußern will. Denn noch gilt der Konflikt als rein innerspanische Angelegenheit. Erst wenn Rajoy offiziell um Vermittlung bitten sollte, könnte auch Juncker aktiv werden – endlich. Bisher übt sich der Chef der „politischen“ EU-Kommission vor allem in Politik-Verweigerung.

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9 Kommentare

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  • EUabteilung Erweiterung sollte Konsequenzen ihrer Fehlpolitik tragen.

    Es gibt in Europa viele regionale- und etnische Konflikte,teils aus der Geschichte,teils durch inkonsequent Handeln der EU.Uebersicht der Konfliktlaender/Gebiete:Schottland+NordIrland,Flandern+Wallonien,Korsika,Baskenland+Katalonien, Venetien+SuedTirol,Estland,Letland,Ukraine,Moldova,Kosovo.Die letzten 5 Konflikte sind nur auf dem Mist der EU gewachsen.Weshalb gibt es keine Demokratiebedingungen beim EUzutritt/Vertragsabschluss?Weshalb musste Kosovo ohne Referendum unabhaengig werden,was Katalonien verweigert wird?Weil Serbien kein EU war?Kosovo ist nicht lebensfaehig und wird bis auf unabsehbare Zeit viele MIllionen v Euros kosten f EUsteuerzahler.Durch ungeschickte Fuehrung in Bruessel erlebt die EU jetzt eine Welle regionaler+etnischer Konflikte.Dann gibt es die Nachbarlaender der Ukraine:Polen,Ungarn,Rumaenien,Weissrussland,Moldau,Slowakei die alle ihre Landsleute i/d Ukraine beschuetzen moechten+am liebsten einverleiben.Am Ende wird nicht viel mehr v/d Ukraine uebrigbleiben. Durch die EU-Draengelpolitik mit der Ukraine ist sogar ein regionaler Krieg entstanden mit schon 10.000 Tote+2,5 mio Fluechtlinge,der lebensstandard hat sich halbiert.Wahlen finden nicht mehr statt nach dem Putsch in November 2013.

  • EUabteilung Erweiterung sollte Konsequenzen ihrer Fehlpolitik tragen.

    2004 Wurden Baltische Staaten i/d EU aufgenommen wo jetzt in Estland+Letland 330.000 Einwohner keine normalen Buergerrechte haben,koennen nicht an Wahlen+Buergerfunktionen teilnehmen.2014 Wurde mit der Ukraine einen Beitrittsantrag unterzeichnet ohne zu verlangen das der Status der veraengstigten russischen Minderheit im Osten geloest wird,i/d Moldau wurden Wahlen organisiert fuer einen EU-Beitrittsantrag+kurz bevor wurde eine groessere (russische) politische Partei v/d Wahl ausgeschlossen.Natuerlich hat man 3-5 Jahre zuvor im US-NatoHauptquartier alle Moeglichkeiten fuer Osteuropa extrapoliert.2012 Erhielt die EU den NobelFriedensPreis mit Begruendung aus Europa ein Kontinent des Friedens gemacht zu haben,waehrend man gerade den Keim fuer Unruhen gesaeht hat.Kosovo bekam 2008 Unabhaengigkeit ohne Referendum was 2017 Katalonien verweigert wird nach Referendum mit 90% JaStimmen.Weil Serbien kein EU war?Weiteres moegliche Unabhaengigkeitsreferendum 2017 Venetien,Italien

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Allerdings hagelt es auch Kritik am Vorgehen der Katalanen. Grünen-Europachef Reinhard Bütikofer warf Puigdemont vor, mit gezinkten Karten zu spielen. Statt der offenen Konfrontation habe er „einen politischen Schwindel gewählt“, sagte Bütikofer. „Das ist der Trick eines Hasardeurs, der eigentlich mit seinem Latein am Ende ist.“"

     

    Wie die Bundesgrünen?

  • ANLASS ZUR VERMITTLUNG...

    hätte die eu allenthalben, wenn sie denn nicht auch noch die letzte glaubwürdigkeit aufs spiel setzen will: der vertrag von lissabon spricht von einem "europa der regionen" als vision. katalonien, schottland u.a. nach unabhängigkeit strebende regionen wären eine gelegenheit, den nationalismus in den nationalstaaten zu überwinden und über die regionen eine "europäische identität" zu finden.

    • 2G
      2730 (Profil gelöscht)
      @hanuman:

      1. Region bedeutet nicht Sezession.

       

      2. Wer bestimmt, wie "Katalane" zu definieren ist? Denn definieren muss man diesen Status, will man die Abstimmungsberechtigten abgrenzen.

       

      3. Natürlich kann Brüssel nicht zwischen Spanien und Katalonien vermitteln, denn

      a. Europa der Regionen bedeutet nicht Europa der Sezessionen.

      b. Die EU ist eine Vereinigung der derzeitigen Rechtssubjekte. Vereinfacht an einem Beispiel gezeigt: Aubameyang will trotz Vertrag aus Dortmund nach Bayern wechseln. Dortmund will den Spieler nicht gehen lassen.

      Dann kann sich auch nicht der DFB einmischen und "vermitteln"...denn: Vermittlung bedeutet u.U. Sezession und allein wegen dieser Möglichkeit würde sich der DFB gegen Dortmund stellen. Frag mal den Küppersbusch...

      c. Fängt die EU erst einmal mit dem vermitteln an, wird sie bald nichts anderes mehr machen. Flandern, Südtirol, Korsika, Baskenland, Schottland, Nordirland... das sind die ersten die mir dabei einfallen. Wollen wir "Regionen" oder Kleinkleinkleinststaaterei?

       

      4. Es kann nicht sein, dass sich vermeintlich wohlhabendere Regionen einfach mal so eben aus der Solidargemeinschaft verabschieden. Btw: Bayern war bis in die 90-er Jahre ein Nettoempfänger des Länderfinanzausgleichs. Ich weiß nicht, wie es in Spanien aussieht, sollte man vielleicht aber mal prüfen.

       

      5. Die Loslösung von Spanien ist erst der Anfang. Mehr oder weniger offen wird von der katalanischen Führung das "hidden goal" ausgegeben: langfristig einen "großkatalanischen" Nationalstaat unter Einbeziehung des französischen Département Pyrénées-Orientales zu errichten.

      Wobei wir - schwupps - wieder bei geradezu faschistoiden Tendenzen wären. Wer das will, bitte melden...

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @hanuman:

      Katalonien ist eine Region. Und kein Nationalstaat. Also allet paletti ...

    • @hanuman:

      Die Nationalstaaten der EU soll(t)en niemals ersetzt oder abgeschafft werden. Sie vergessen möglicherweise, dass sich die Umsetzung des Vertrages von Lissabon verzögert hat, weil der Vertrag ursprünglich Verfassung heißen sollte. Schon das ist auf den Widerstand bei den Volksbefragungen gestoßen.

       

      "Europa der Regionen" ist schön für eine Präambel oder irgendwelche Festtagsreden.

  • „Politikverweigerung“? Jeder erinnert sich an diverse Beiträge in den Medien (auch in der TAZ), in denen die EU heftig dafür kritisiert wurde, dass sie in die Mitgliedsländer (zum Beispiel auch D.) hineinregiert. Auch der „Brexit“ wurde u. a. damit begründet.

     

    Ein möglicher Vermittler wird sich klugerweise erst dann engagieren, wenn er von BEIDEN Konfliktparteien dazu aufgefordert und von BEIDEN akzeptiert wird. Anderenfalls könnten sich die Kontrahenten tatsächlich vereinen! Nämlich bei dem Bestreben, gegen die Brüsseler Einmischungspolitik zu Felde zu ziehen!

  • Es gibt weiterhin keinen Grund für die EU sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Es fehlt weiterhin die Zuständigkeit. Die EU ist ein Staatenbund, kein Schiedsrichter. Wenn es in einem Mitgleidsstaat der EU zu einer politischen Explosion kommen sollte, dann ist das halt so.