Pressefreiheit in Griechenland: Medien-Misere in Hellas
NGOs schlagen Alarm: Die Lage der Medien in Griechenland wird immer prekärer. Schuld ist der konservative Premier Mitsotakis. Nun schreitet die EU ein.

Zuletzt die Reporter ohne Grenzen, jetzt Human Rights Watch: In Griechenland sei die Pressefreiheit massiv bedroht, stellen sie einhellig fest. Verantwortlich für die Misere in Hellas, so die NGOs einhellig, sei die Regierung unter dem konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis.
In der am 2. Mai präsentierten Weltrangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen für 2025 belegt Griechenland jedenfalls den beschämenden Platz 89 – hinter Papua-Neuguinea, Niger und Malaysia. Unter den 27 EU-Ländern stellt Griechenland bereits im vierten Jahr in Folge das abgeschlagene Schlusslicht dar. Das niederschmetternde Urteil der Reporter ohne Grenzen: „Griechenland steckt in Sachen Pressefreiheit seit 2021 in einer systemischen Krise.“
Human Rights Watch (HRW) legt nun nach. In ihrem 101-seitigen Sonderbericht unter dem Titel „Vom Schlechten zum Schlimmsten: Den Niedergang der Medienfreiheit in Griechenland“, dokumentiert HRW zum einen das feindselige Umfeld für unabhängige Medien und Medienschaffende seit Amtsbeginn der Regierung Mitsotakis im Juli 2019.
Es komme zu Schikanen, Überwachung sowie Einschüchterungsverfahren, sogenannte SLAPP-Klagen. In Griechenland werde so die kritische Berichterstattung unterdrückt und die Selbstzensur zur Norm, legt Hugh Williamson, HRW-Direktor für Europa und Zentralasien, den Finger in die Wunde. Er fordert: „Die EU muss Athen zu einem Kurswechsel drängen.“
Staatsmedien werden zu Regierungsmedien
Hinzu komme die Verwendung öffentlicher Gelder für Privatmedien zur Beeinflussung ihrer Berichterstattung sowie der redaktionelle Einfluss auf öffentliche Medien. Rund 160 private Fernsehsender, Hunderte private Radiosender sowie Zeitungen, eine Unzahl von Nachrichtenportalen – die hiesige Medienvielfalt ist zwar riesig.
Doch die Causa Hellas zeigt: Medienvielfalt heißt nicht automatisch Pressefreiheit. Wenige Großunternehmer besitzen eine Vielzahl der Medien, darunter alle Leitmedien. Das Gros der Oligarchen steht der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) nahe. Der Staatssender ERT und die staatliche Nachrichtenagentur APE-MPE unterstehen seit Juli 2019 direkt dem Büro des Premiers, was nicht zu überhören und übersehen ist. Beide Staatsmedien sind derweil nachweislich durch Fälle von Zensur und Verstöße gegen den journalistischen Grundsatz des Pluralismus aufgefallen.
„Ich erwäge, das Land zu verlassen“
Eine Reporterin mit über 25 Jahren Erfahrung bei einem führenden Athener Privatfernsehsender offenbart im HRW-Bericht: „Was man sagt, wird so kontrolliert, dass man keine Freiheit hat. Die Kontrolle wird von ganz oben ausgeübt. Alles wird kontrolliert. Was man sagt und wie man es sagt.“ Eine freiberufliche Auslandskorrespondentin klagt: „Jetzt erwäge ich, das Land zu verlassen. Und zwar wirklich. Ich sehe einfach keinen Sinn darin, mich dieser Angst auszusetzen.“
Die Missstände in Athen haben mittlerweile die EU auf den Plan gerufen. Im Februar 2024 nahm das Europaparlament eine Entschließung mit ernsten Bedenken hinsichtlich der Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit in Griechenland an. Premier Mitsotakis weist die Vorwürfe harsch zurück. „Stärker als je zuvor“, sei die Rechtsstaatlichkeit seines Landes. Stattdessen ätzt Mitsotakis zurück: „Griechenland ist in den letzten Jahren oft Ziel von Verleumdungen geworden“. Eine Täter-Opfer-Umkehr in Reinkultur.
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