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EU geht gegen X vorEs geht um mehr als ums Geld

Kommentar von

Svenja Bergt

Die EU verhängt eine Geldbuße gegen die Social-Media-Plattform X. Die Summe ist überschaubar – doch das darf nicht täuschen. Denn es geht um mehr.

Mangelnde Transparenz bei Werbung und eine Irreführung der Nut­ze­r:in­nen bei Verifikations-häkchen – das wirft die EU X vor Foto: David Agüero Munoz/imago

D ie Höhe der Geldbuße, die die EU-Kommission am Freitag gegen die Online-Plattform X verhängt hat: 120 Millionen Euro. Da der Eigentümer der Plattform Multimilliardär ist und X einem Bericht der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zufolge im vergangenen Jahr einen Nettoumsatz von 2,6 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet hat, nimmt sich die Summe nicht exorbitant aus. Aber es geht für alle Beteiligten bei diesem Verfahren eigentlich nicht um die Summe – sondern um viel mehr.

Das Bußgeld sei „eine Attacke auf alle amerikanischen Tech-Plattformen und das amerikanische Volk durch ausländische Regierungen“, schrieb der US-amerikanische Außenminister Marco Rubio. Wo? Auf X. Und Musk selbst fantasierte dort von einer Auflösung der EU, was zeigt, dass sich sein Repertoire an Handlungsoptionen, wenn ihm jemand in die Quere kommt, auf zwei Optionen beschränkt: aufkaufen oder plattmachen. Unpraktisch für Musk, dass Europa keine Firma ist.

Die Vorwürfe der EU-Kommission gegenüber X sind ähnlich bodenständig wie die Summe

Dabei sind die Vorwürfe der EU-Kommission gegenüber X ähnlich bodenständig wie die Summe: mangelnde Transparenz bei Werbung, ein fehlender Datenzugang für Forschende und eine Irreführung der Nutzer:innen, dadurch dass die weiß-blauen Verifikationshäkchen weniger der Verifikation von Accounts dienen, als dem Generieren von Einnahmen für die Plattform. Das war’s.

Mangelnde Ressourcen für die Moderation? Ein maximal punktuelles Vorgehen der Plattform gegen illegale Inhalte? Das ist beides nicht Gegenstand des Verfahrens. Dabei würde der Digital Services Act (DSA), auf den die EU-Kommission ihr Vorgehen stützt, beides hergeben.

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Eine Frage der digitalen Souveränität

Die Zurückhaltung hat einen Grund. Die EU-Kommission greift hier offensichtlich nur die Punkte an, die vor Gericht mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit Bestand haben werden. Es sind Punkte, die sich gut und rechtssicher belegen lassen – und bei denen andere Anbieter es schon geschafft haben, nachzubessern. Das Konfliktthema illegaler Inhalte, das dies- und jenseits des Atlantiks ganz unterschiedlich bewertet wird, weil dort unter Meinungsfreiheit fallen kann, was hier ein strafbarer Mordaufruf ist, ist an der Stelle ausgeklammert.

Denn es geht aus europäischer Sicht am Ende um zentrale Fragen der digitalen Souveränität: Ist es möglich, die US-Tech-Konzerne zur Einhaltung hiesiger Regeln zu zwingen? Und wie hoch wird der Preis dafür? Die Antworten auf diese Fragen werden mitentscheidend sein dafür, wie es mit der Demokratie, mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa weitergeht.

Ob er gerichtlich gegen die Entscheidung der EU vorgehen wird, teilte Musk in seinen Posts bislang nicht mit. Für alle Beteiligten am taktisch klügsten wäre es vermutlich, er würde die beanstandeten Punkte stillschweigend nachbessern und den Gang vor Gericht zumindest dieses Mal vermeiden. Denn weitere Verfahren werden folgen. Wahrscheinlicher allerdings ist, dass er auf Eskalation setzt.

In einer Umfrage vom Juli in Deutschland, Frankreich und Spanien gaben übrigens rund zwei Drittel der Befragten an, für eine konsequente Regulierung von Big Tech zu sein – auch, wenn die Beziehungen zu Trump darunter leiden. In Deutschland waren sogar fast drei Viertel der befragten Uni­ons­wäh­le­r:in­nen für eine konsequente Regulierung. Und mehrere europäische Regierungen fordern digitale Souveränität zumindest rhetorisch deutlich vehementer ein, als das noch vor einigen Jahren der Fall war.

Es sieht alles danach aus, als würde das Bedürfnis nach digitaler Unabhängigkeit von den USA umso größer, je stärker Akteure wie Musk und Trump dagegenhalten.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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2 Kommentare

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  • Warum machen wir es nicht wie Trump und zwingen die US-Konzerne ihr Europageschäft an eine EU-Firma zu verkaufen? Wenn es hier Leute gibt, die unbedingt Instagram, X und Facebook brauchen.

  • Ach soooo....

    Ja, dass erklärt wohl warum Trumb mal wieder frei dreht ....