EU-Vorgaben zu Atommüll: Entsorgung von Entsorgungsproblemen
Die EU macht Druck: Bis 2015 müssen die Mitgliedstaaten Konzepte für Atommüll-Endlagerung vorlegen. Auch ein Export soll unter bestimmten Bedingungen möglich sein.
GÖTTINGEN taz | In der Europäischen Union gibt es künftig verbindliche Vorgaben für die Entsorgung radioaktiver Abfälle und insbesondere den Bau von Endlagern für die abgebrannten Brennelemente aus Atomkraftwerken. Der EU-Ministerrat beschloss am Dienstag in Brüssel eine entsprechende Richtlinie, die im September in Kraft treten soll. Im Kern gibt sie den Mitgliedsstaaten auf, nationale Programme mit konkreten Zeitplänen für die Benennung von Standorten und die Errichtung von Lagerstätten aufzulegen. In 14 von 27 Mitgliedsstaaten werden AKWs betrieben.
Die Programme sollen detaillierte Umsetzungsmaßnahmen beschreiben und die Finanzierung festlegen. Die Länder müssen der EU-Kommission ihre Programme bis spätestens 2015 übermitteln. Die Kommission will diese dann prüfen. Erklärtermaßen will die Kommission damit auch Deutschland zum Handeln zwingen. Wie einen "Wanderpokal" reichten die Bundesregierungen das Problem Endlager immer weiter, kritisiert EU-Energiekommissar Günther Oettinger. "Aber niemand kommt einer Lösung näher." Das Bundesumweltministerium kündigte prompt an, es werde auf der Basis der Richtlinie noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zur Endlagerung vorlegen.
Ein Punkt der EU-Richtlinie legt fest, dass die Öffentlichkeit über das nationale Prozedere informiert werden und die Gelegenheit erhalten muss, "sich effektiv an der Entscheidungsfindung zu beteiligen". Der bislang als einziger deutscher Standort untersuchte Salzstock in Gorleben wird bisher nach dem Bergrecht geprüft, das im Gegensatz zum Atomrecht eine Öffentlichkeitsbeteiligung weitgehend ausschließt.
Zudem schreibt die EU-Richtlinie "Tiefenendlager" für den hochradioaktiven Müll fest und erteilt einer Rückholbarkeit der Abfälle praktisch eine Absage - vor allem Oppositionspolitiker hatten diese Variante zuletzt ins Spiel gebracht. Und: Unter bestimmten Voraussetzungen - so muss das Drittland bereits über ein Endlager verfügen - sind auch Atommüllexporte nach außerhalb der EU gestattet. Damit könnte die vor Jahren geführte Diskussion über eine Endlagerung deutschen Atommülls etwa in Russland wieder an Fahrt gewinnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen