EU-Strategie gegen Coronapandemie: Taskforce geplant

Bisher hat es in der EU bei der Zusammenarbeit gegen die Coronapandemie gehakt. Das soll sich jetzt ändern, sagt Gesundheitskommissarin Kyriakides.

Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Mittwoch in Brüssel

Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Mittwoch in Brüssel Foto: Yves Herman/reuters

BRÜSSEL taz | Auf dem Höhepunkt der zweiten Coronawelle hat die EU-Kommission mehr Kompetenzen in der Gesundheitspolitik eingefordert. „Die Bürger erwarten von der EU, dass sie eine aktivere Rolle zu ihrem Schutz einnimmt“, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Mittwoch in Brüssel. Als Beispiel nannte sie den Ausbau von EU-Agenturen und die Impfung gegen die Corona-Pandemie.

Die Seuchenbekämpfungsbehörde ECDC in Stockholm und die Europäische Arzneimittelagentur EMA in Amsterdam sollen ausgebaut werden. Vor allem ECDC war mit der Pandemiebekämpfung bisher heillos überfordert. Nun soll die Behörde die Möglichkeit bekommen, den Mitgliedstaaten direkt Ratschläge zu erteilen, und eine Taskforce erhalten, um bei Problemen vor Ort eingreifen zu können.

Die größten Hoffnungen sind aber mit der Impfstrategie verbunden. Die 27 EU-Staaten hatten die Kommission im Frühjahr aufgefordert, sich um eine EU-weite Versorgung mit einem Corona-Impfstoff zu bemühen. Drei Verträge mit Pharmalaboren hatte die Brüsseler Behörde bereits abgeschlossen, als Anfang dieser Woche die Meldung vom Testerfolg bei Biontech und Pfizer kam.

Ausgerechnet mit diesen Firmen hatte Brüssel noch keinen Vertrag geschlossen – bis Mittwoch. Auf Drängen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) holte die EU-Kommission das Versäumte nach und schloss auch mit Pfizer und Biontech einen Deal ab. Das Konsortium soll nun bis zu 300 Millionen Impfstoffdosen liefern – doch wann und zu welchen Konditionen, bleibt im Dunkeln.

„Wir haben schnell gehandelt, bei der Lieferung wird es keine Verspätungen geben“, betonte Kyriakides. Zunächst müsse man aber auf die Zulassung des Impfstoffs warten. Dafür ist die Europäische Arzneimittelagentur EMA zuständig. Wann die EMA grünes Licht geben wird, ließ Kyriakides offen. Sie wolle nicht spekulieren, sagte sie, aber Europa werde nicht später als andere versorgt.

Beschleunigte Genehmigung in den USA

Hintergrund ist die Befürchtung, dass der US-Konzern Pfizer die USA bevorzugt behandeln könnte. Pfizer und Biontech wollen in der kommenden Woche in den USA eine beschleunigte Genehmigung für die Zulassung beantragen. Die Lieferungen an die EU könnten „voraussichtlich Ende 2020 beginnen“, erklärten sie. Dies gelte „vorbehaltlich des klinischen Erfolgs und der behördlichen Genehmigung“ des Impfstoffs.

Das Gezerre um Pfizer/Biontech zeigt, wie schwer sich die EU in der Gesundheitspolitik tut. Bisher liegt die Zuständigkeit bei den 27 Mitgliedstaaten, Brüssel kommt nur eine koordinierende Rolle zu. Doch auch die Staaten wissen sich kaum zu helfen, wie das Chaos bei der ersten Coronawelle im Frühjahr gezeigt hat. Damals haben sich die EU-Länder sogar gegenseitig Schutzausrüstung streitig gemacht.

„Wir haben eine lange Wegstrecke hinter uns“, sagte Kyriakides rückblickend. Nun hätten aber alle 27 verstanden, wie wichtig gemeinsames Handeln sei. Anders als im Januar oder Februar sei die EU auch besser gerüstet, um mit der Coronapandemie fertigwerden zu können. So habe man die Teststrategien abgestimmt, Warn-Apps entwickelt und Richtlinien für Verkehr und Tourismus vorgelegt.

Durch diese Erfahrungen fühlt sich die EU-Kommission nun ermutigt, eine „europäische Gesundheitsunion“ aufzubauen. Unter anderem will sie eine neue Behörde für „Gesundheitsnotfallvorsorge und -reaktion“ schaffen, die Aufgaben im Kampf gegen künftige Pandemien und Seuchen übernehmen könnte. Einen konkreten Vorschlag dafür will Kyriakides aber erst Ende des nächsten Jahres vorlegen.

Offen bleibt, ob die EU-Staaten mitziehen und Kompetenzen nach Brüssel abgeben werden. Bisher sieht es nicht danach aus. Der deutsche EU-Vorsitz unterstützt zwar den Ausbau von ECDC und EMA, Berlin hat bisher jedoch keine eigenen Initiativen ergriffen. Auf einem EU-Krisengipfel Ende Oktober wurde kein einziger Beschluss gefasst – trotz der anschwellenden zweiten Corona-Welle.

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