EU-Sanktionen und Öltanker: Stau vor dem Bosporus
Die Türkei will Öltanker nicht durchlassen. Denn wegen der EU-Sanktionen gegen russisches Öl treten Probleme mit der Versicherung auf.
Seitdem staut sich der Schiffsverkehr vor der Einfahrt zum Bosporus. Nach Angaben der türkischen Marinedirektion, einer Abteilung des Transportministeriums, warten im Schwarzen Meer 18 Schiffe auf die Durchfahrt und ein Schiff in der Ägäis. Weiteren vier Schiffen sei am Sonntag die Durchfahrt gestattet worden.
Mit dem EU-Sanktionspaket vom 5. Dezember war klargestellt worden, dass keine westlichen Versicherungen mehr Öltanker versichern dürfen, deren Reedereien sich nicht an die 60-Dollar-Preisobergrenze pro Barrel halten.
Jeder Öltanker muss eine sogenannte „Protection & Indemnity“-(P&I)-Versicherung haben, die in aller Regel bei den großen Versicherungen in London abgeschlossen werden. Darüber hinaus zahlen alle Reedereien in einen internationalen Fonds, den IOPC-Fonds, der für Schäden aufkommt, die über den Versicherungsbetrag hinausgehen.
Angst vor Tankerunfall
Da die türkischen Behörden nicht kontrollieren können, zu welchem Preis die Tanker ihr geladenes Rohöl aus Russland verkaufen, verlangen sie seit dem Sanktionsbeschluss eine Garantieerklärung der jeweiligen Schiffsversicherer, dass sie bei einem Unfall in den Meerengen in jedem Fall für den Schaden aufkommen werden, auch bei Schwierigkeiten mit den Sanktionsregeln.
Dieselbe Erklärung erwarten die türkischen Behörden von dem internationalen IOPC-Fonds, der diese nach Angaben der Marinedirektion bislang aber verweigert. So lange die Versicherungen eine solche Garantieerklärung nicht abgeben, dürfen die Tanker nicht passieren.
Die türkische Regierung unterstützt damit zwar auch die neuen EU-Sanktionsregeln gegen russisches Öl und für eine Preisdeckel. Sie hat aber vor allem Angst, bei einem Tankerunfall auf dem Bosporus womöglich auf den daraus resultierenden enormen Kosten sitzen zu bleiben. Ein Tankerunfall auf dem Bosporus, direkt mitten in der 16-Millionen-Einwohner-Stadt Istanbul, wäre wohl einer der größten anzunehmenden Schadensfälle bei Schiffsunglücken überhaupt.
Bereits zwei Mal ist Istanbul nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Im November 1979 krachte ein rumänischer Rohöltanker aus dem Marmarameer kommend vor der Einfahrt in den Bosporus in einen ankernden Frachter. Der Tanker fing Feuer, explodierte und brannte völlig aus. Von der Besatzung starben 43 Mencshen, das Feuer hielt zwei Monate an. Glücklicherweise ereignete sich der Unfall noch im Marmarameer vor Kadiköy und nicht im engen Bosporus.
Erdoğan und Putin telefonieren
Das zweite Mal knallte ein Frachtschiff 1994 bei der Ausfahrt aus dem Bosporus ins Schwarze Meer in einen Rohöltanker, der ebenfalls in Brand geriet. Insgesamt 19 Seeleute starben, aber der Tanker konnte aufs Schwarze Meer geschleppt werden, bevor er größeren Schaden im Bosporus anrichtete. Bei Tankerunfällen 1979 und 1994 kamen Dutzende Menschen ums Leben. Es wäre noch weitaus schlimmer ausgegangen, wenn die Unfälle sich direkt im Bosporus und nicht an den Ein- und Ausfahrten ereignet hätten.
Seit den 90er Jahren hat der Schiffsverkehr auf dem Bosporus zugenommen, allerdings wurden die Sicherheitsbestimmungen 1996 verschärft, sodass jetzt nur noch jeweils 12 Stunden in eine Richtung gefahren werden darf.
Am Wochenende hat die Marinedirektion vier Tanker angewiesen, die türkischen Hoheitsgebiete zu verlassen, bis die Versicherungsfrage geklärt ist. Das Transportministerium erklärte, man arbeite mit Hochdruck an einer Lösung, sowohl die betroffenen Reedereien wie die Versicherungen und die jeweiligen Flaggenstaaten seien in die Gespräche eingebunden.
Man gehe davon aus, dass das Problem in den kommenden Tagen gelöst wird, hieß es von der türkischen Regierung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Russlands Präsident Wladimir Putin hatten am Wochenende erneut telefonischen Kontakt. Dabei sei es auch um zusätzliche Getreide- und andere Schiffstransporte gegangen.
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