EU-Pläne zur Bankensicherung: Banken sollen vorsorgen
Die EU-Kommission schlägt vor, dass die EU-Staaten ein Netz nationaler Fonds einrichten. Künftig sollen nicht die Steuerzahler für bankrotte Finanzinstitute zahlen.
BRÜSSEL taz | Seit Monaten rennt die Politik den Krisen im Wirtschafts- und Finanzsektor hinterher. Nun will EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier vorsorgen. Dazu stellte er am Mittwoch seine Pläne für ein europäisches Netz nationaler Bankensicherungsfonds vor.
Vorangegangen waren Vorschläge zur europäischen Vernetzung der Bankenaufsicht, Standards für Managervergütungen und Auflagen für Hedgefonds. "Prävention ist billiger als Reparatur. Wir brauchen die Werkzeuge, um rechtzeitig reagieren zu können, damit nicht immer zuerst die Steuerzahler einspringen müssen", erklärte der französische EU-Kommissar.
Mit dem Geld aus den Fonds sollen im Krisenfall Umstrukturierungsmaßnahmen wie die Teilung von Verbindlichkeiten in eine "good bank" und eine "bad bank" finanziert werden.Der Topf soll aber nicht Banken durch Finanzspritzen vor der Pleite retten.
In mehreren EU-Staaten gibt es solche Abgaben schon. Die Kommission will sie EU-weit einführen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, Details aber den Mitgliedstaaten überlassen. Die Kreditkosten für wirtschaftliche Investitionen sollen nicht steigen, um die Konjunktur nicht abzuwürgen. Solide wirtschaftende Kreditinstitute sollten weniger zahlen als hochspekulative.
Die Frage, wie eine solche Abgabe für gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt sorgen soll, wenn sie nicht EU-weit gleich hoch ist, beantwortet die EU-Kommission in ihrer Mitteilung nicht. Sie will nun zunächst Reaktionen aus der Branche abwarten, bevor sie im Herbst einen Gesetzentwurf vorlegt.
Der Bankensektor sei gegenüber der Idee sehr aufgeschlossen, erklärte Barnier. Vergangenen Donnerstag habe ihm Deutsche-Bank-Chef Ackermann bei einer Tagung in Berlin ein Positionspapier dazu in die Hand gedrückt.
In Deutschland ist eine Bankenabgabe bereits auf dem Weg. Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Finanzbranche künftig rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr in einen Notfalltopf einzahlen. Die Vorschläge einer Harmonisierung auf EU-Ebene seien grundsätzlich zu begrüßen, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums.
Während die EU-Kommission statt eindeutig formulierter Entwürfe vage Anregungen zur Diskussion stellt, wurde gestern an anderer Stelle in Brüssel Klartext geredet. Beim "Brussels Economic Forum", einer jährlich veranstalteten Tagung zur Wirtschaftsentwicklung in der EU, forderte das ehemalige EZB-Direktoriumsmitglied Otmar Issing ein Ende der diplomatischen Höflichkeit und mehr Ehrlichkeit der Mitgliedstaaten untereinander.
Wenn nicht Deutschland und Frankreich sich vor fünf Jahren verabredet hätten, den Stabilitätspakt aufzuweichen und wenn die vorhandenen Regeln konsequent angewandt würden, bräuchte die EU gar keine engere Abstimmung ihrer Wirtschaftspolitik, glaubt Issing.
Dem widersprach Erik Nielsen, Chefökonom bei Goldman Sachs. Er sieht nur zwei mögliche Wege aus der europäischen Finanzkrise: die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa oder die Möglichkeit der geordneten Insolvenz eines bankrotten Mitgliedslandes und damit verbunden den Austritt aus der Eurozone.
Der vergangenes Wochenende beschlossene Rettungsschirm für von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Mitgliedsländer sei "fiskalischer Föderalismus durch die Hintertür". Diesen verdeckten Finanztransfer von den ökonomisch stärkeren in die schwachen EU-Länder würden die Wähler auf die Dauer nicht akzeptieren.
Um in Zukunft drohende Staatspleiten früher zu erkennen und die betroffenen Regierungen rechtzeitig zu harten Einschnitten zu zwingen, gebe es nur eine Lösung: Die Europäische Zentralbank dürfe nicht länger alle Staatsanleihen aus Ländern der Eurozone gleich bewerten, sondern müsse bei hoch verschuldeten Ländern einen Risikoabschlag verlangen.
Das wäre ein Beitrag zu jener Eindeutigkeit, zu der sich Binnenmarktkommissar Barnier nicht durchringen kann.
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