EU-Pläne für erneuerbare Energien: „Totenschein für Bürgerprojekte“
Die EU-Kommission will feste Vergütungen für erneuerbare Energien mit wenigen Ausnahmen als unzulässige Beihilfe einstufen. AKW's sollen besser fahren.
FREIBURG taz | Die EU-Kommission plant einen Angriff auf die erneuerbaren Energien: Die Behörde hat neue Leitlinien verfasst, die die Möglichkeiten der Nationalstaaten zur Förderung von Ökoenergie massiv einschränken würden. Bis Freitag können Bürger und Organisationen Stellung nehmen zu dem Entwurf.
Nach dem Willen der Kommission sollen fixe Einspeisetarife für Strom aus erneuerbaren Energien nur noch für Anlagen bis zu 1 Megawatt beziehungsweise bei der Windkraft bis 5 Megawatt oder drei Anlagen erlaubt sein. Zudem sollen die Vergütungen nur noch für zehn Jahre genehmigt werden, eine Verlängerung müsste die Kommission absegnen.
So will die EU-Bürokratie die definierten Vergütungen durch eine Ausschreibung der Erzeugungskapazitäten ersetzen. Ist die Leitlinie in Kraft, müssen die Mitgliedsländer bestehende Fördersysteme, wie in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz, bei der nächsten Änderung entsprechend anpassen.
Kritik kommt unter anderem von Claude Turmes, dem energiepolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament: Indem die Kommission Ausschreibungen und Zertifikatesysteme zum wesentlichen Förderinstrument mache, setze sie „der Entwicklung der Erneuerbaren ein klares Limit.“ Die Leitlinie sei „der berühmte ’Deckel‘, den Energiekommissar Oettinger durchdrücken möchte, um die Entwicklung der Erneuerbaren zu drosseln zugunsten seiner Kohle- und Atomfreunde“. Turmes spricht vom „Totenschein vielfältiger Bürger- und Genossenschaftsprojekte“.
Auch der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband, der die Interessen der etwa 800 deutschen Energiegenossenschaften vertritt, kritisiert die Pläne. In einem an die EU-Kommission adressierten Schreiben heißt es, diese würden „die Gestaltung der Energiewende durch Genossenschaften massiv gefährden“.
Grüne: „Wahnwitziger Plan“
Die genossenschaftlich organisierten Elektrizitätswerke Schönau (EWS) haben unterdessen auf ihrer Internetseite einen Textvorschlag veröffentlicht, mit dem Bürger sich an die Europäische Kommission wenden können. Darin enthalten ist die Forderung, dass, „die bewährten Einspeisetarifsysteme auch weiterhin zulässig bleiben, denn sie garantieren den Bürgern die notwendige Investitionssicherheit“. Eine Begrenzung auf die stattdessen vorgesehenen Ausschreibungsmodelle habe in der Praxis nie funktioniert. Zudem begünstigten solche Verfahren einseitig große Konzerne, die sich die damit verbundene Bürokratie leisten könnten.
Außerdem treten die EWS dafür ein, dass die EU-Kommission Beihilfen für Kohle und Atomkraft ausschließt. Das ist bisher nämlich nicht der Fall. Die Pläne Großbritanniens, Atomkraftwerken für die Dauer von 35 Jahren eine Einspeisevergütung von rund 11 Cent je Kilowattstunde zuzüglich Inflationsausgleich zu gewähren, würden durch die neue EU-Leitlinie nicht verhindert.
Hingegen will die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission die geringere Förderung der Windkraft als unzulässige „Beihilfe“ einstufen. „Ein wahnwitziger Plan“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld