EU-Mission im Kosovo: Massenprotest gegen Europa
In der Hauptstadt des Kosovo demonstrieren Zehntausende gegen EU und UNO. Sie befürchten, dass die geplante Eulex-Mission die Souveränität des Kosovo unterminiert.
PRISHTINA taz "Keine Teilung Kosovos" und "UN will den Krieg" lauteten die Parolen gestern auf der größten Demonstration in Kosovos Hauptstadt Prishtina seit der Unabhängigkeit am 17. Februar. Die Freude von damals ist der Kritik an EU und UN gewichen. Der Demonstrationszug von mehreren zehntausend Menschen beschrieb ein großes S als Symbol für die Souveränität des Landes.
Der Protest richtete sich gegen den Sechspunkteplan des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon, der den Forderungen Serbiens beim Einsatz der künftigen EU-Rechtsstaatsmission Eulex im Kosovo entgegenkommt, und gegen die Untätigkeit der eigenen Regierung unter Premierminister Hashim Thaci. Albin Kurti, der Vorsitzende der Gruppe "Selbstbestimmung", hatte auf einer Pressekonferenz am Vortag kritisiert, die Regierung sei zu nachgiebig gegenüber den Forderungen der internationalen Institutionen. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, nicht mehr mit Belgrad, sondern ausschließlich mit den kosovarischen Institutionen über den Einsatz der Eulex-Mission zu verhandeln.
Die hohe Teilnehmerzahl der Demonstration spricht dafür, dass viele die Befürchtung teilen, dass die Souveränität des unabhängigen Kosovos unterminiert wird. Ursprünglich war von der EU versprochen worden, die Eulex-Mission auf dem gesamten Staatsgebiet des Kosovo, also auch in den serbischen Enklaven und dem serbischen Siedlungsgebiet nördlich von Mitrovica, das direkt an Serbien angrenzt, auszudehnen. Die Eulex-Mission soll beim Aufbau der Polizei, der Verwaltung und des Justizsystems helfen. "Wir haben nichts gegen die Eulex-Mission, im Gegenteil, wir freuen uns über die Hilfe der EU", erklärten einige der Demonstranten, "aber warum sollte die Eulex nicht auch bei den Serben arbeiten?"
Belgrad dagegen steht auf dem Standpunkt, dass Eulex nur unter der Kontrolle der UN in den Serbengebieten auftreten dürfe und hat ihre Implementierung an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die auf eine Abspaltung der Serbengebiete vom Kosovo hindeuten.
Von der Regierung ließ sich niemand auf der Kundgebung blicken. Sie ist durch die außerparlamentarische Opposition unter Druck geraten und dürfte sich in den Verhandlungen mit EU und UNO entsprechend unnachgiebig zeigen.
Im Hauptquartier von Eulex ist man auch deshalb ein bisschen ratlos. Denn 700 der für Anfang Dezember geplanten 1.300 ausländischen Mitarbeiter aus vielen EU-Staaten sind schon angereist, 300 lokale Mitarbeiter bereits angeheuert. Die Büros und die Infrastruktur sind vorbereitet.
"Die Demonstranten liegen falsch, die Eulex-Mission läuft ja auf jeden Fall unter der UN-Resolution 1244 und die EU kann gar nicht die Souveränität Kosovos anerkennen, das können nur die Mitgliedsstaaten", erklärt Eulex-Sprecher Viktor Reuter. "Wir warten auf politische Entscheidungen, möglicherweise verzögert sich die Implementierung, aber wir rechnen dennoch mit ihr."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen