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EU-Lieferkettengesetz aufgeweichtWirtschaft vor Menschenrechten

Kommentar von Leila van Rinsum

Die EU hat entscheidende Punkte des Lieferkettengesetzes wieder gestrichen. Die Menschen des Globalen Südens rutschen auf ihrer Prioritätenliste ganz nach unten.

Das Ende der Lieferkette ist der EU wohl wichtiger als deren Anfang: Hier werden Container am Hafen Stuttgart umgeladen Foto: Marijan Murat/dpa

B is zuletzt hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beschwichtigt. Der Inhalt der Gesetze zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit und Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette sei gut, hatte sie gesagt – und werde beibehalten. Es ginge darum, die Berichterstattung für Unternehmen zu vereinfachen. Der am Wochenende geleakte Entwurf dazu zeigt jedoch, dass das gelogen war.

Er macht auch die letzten mühsam erkämpften Fortschritte der europäischen Regeln zunichte. Bei der Lieferkettenrichtlinie soll demnach die zivile Haftung wieder gestrichen werden. Sie sollte es Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen erleichtern, europäische Firmen auf Schadensersatz zu verklagen. Ebenfalls gravierend: Unternehmen sollen nur noch den direkten Zulieferer, bei dem Risiken analysiert werden, überprüfen – und auch nur alle fünf Jahre.

Die Lieferkettenrichtlinie war der Versuch, europäische Unternehmen dafür zur Verantwortung zu ziehen, was ihr Geschäftsmodell am anderen Ende der Lieferkette anrichtet. Noch immer basiert dieses Modell viel zu häufig auf der Ausbeutung von Menschen und Ressourcen in Ländern des Globalen Südens.

Lautes Stöhnen in Deutschland

Während das Stöhnen über zusätzliche Berichtspflichten hier sehr laut vernommen wird, bekommen die Arbeiter*innen, die die unternehmerischen Renditen erwirtschaften, häufig nicht genug Geld, um auch nur ansatzweise ihre Existenzen zu sichern. Sie erhalten oft nicht das Mindestmaß an Arbeitsschutz und leiden zusätzlich unter den gravierenden Umweltfolgen wirtschaftlicher Tätigkeiten, von denen Europa profitiert. Die Regeln sollten ein Anfang sein, dass Unternehmen überhaupt ihre Lieferketten verstehen und sich überlegen, wie sie nachhaltiger wirtschaften können.

Jetzt heißt es wieder nur: Wirtschaft vor Menschenrechten und Umwelt. Dass der Entwurf die deutliche Handschrift Deutschlands trägt, ist dabei doppelt peinlich.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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5 Kommentare

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  • "Wirtschaft vor Menschenrechten und Umwelt. "



    Noch eine weitere Runde Monopoly. Vielleicht die letzte.

  • Ein komplexes Lieferkettengesetz hat schon auch etwas neokoloniales. Da wird dann in einem bzw. sogar mehreren Ländern in der Kette von einem EU-Unternehmen kontrolliert, ob die hiesigen Wertvorstellungen eingehalten werden. Die lokalen Behörden scheinen ja nicht in der Lage zu sein, die dortigen Gesetze zur kontrollieren und durchzusetzen. Und im Zweifel wird ihnen dann von dem hiesigen Unternehmen mit Abwanderung gedroht.



    Daher sollte das Instrument nur vorsichtig eingesetzt werden, wobei selbstverständlich keine Verstösse gegen Menschenrechte geduldelt werden können. Die Länder des globalen Südens müssen gestärkt werden, allerdings sinkt der Einfluss der EU.

  • Die hohe Kunst der Politik ist es also, solche Informationen zu erheben, ohne ein Bürokratiemonster den Menschen und Unternehmen aufzuerlegen. Ein guter Ansatz wird mit handwerklich schlechten Methoden diskreditiert.



    Bürokratie wird immer mehr als Schimpfwort in der Politik verwendet.



    Wer Bürokratie abbauen will, sollte sagen, ob die Handhabung der Akten bzw die Erhebung der Informationen und Beistellung von Urkunden unverhältnismäßig schwierig ist oder ob er eigentlich die zu schützenden Rechtsgüter angreifen will.



    Wem die von der Bürokratie zu schützen Rechtsgüter wichtig sind, muss sich anstrengen, den Aufwand zu vermindern.

  • Leider geht völlig unter, dass die CSU mit Gerd Müller als engagiertem Entwivklungshilfeminister das Lieferkettengesetz aus Überzeugung mit aus der Taufe gehoben haben. Damit zeigt sich erneut, das Fressen in konservativen Kreisen weiterhin eindeutig vor der Moral kommt. CDU/CSU haben gutes Personal, aber es hat leider nix zu sagen.

  • Aber ab jetzt wird dann ganz wirklich Politik auf Augenhöhe mit dem Globalen Süden gemacht