piwik no script img

EU-Kommissarin erklärt Acta für erledigtSelbst die Kommission gibt auf

Im Streit um das Abkommen Acta war die EU-Kommission bisher immer dafür. Nun erklärt ausgerechnet EU-Kommissarin Neelie Kroes das Abkommen für tot.

Der Protest hat gefruchtet. Bild: dpa

BERLIN dpa | In der EU-Kommission bröckelt die Unterstützung für das umstrittene Urheberrechtsabkommen Acta. „Macht Euch um Acta keine Sorgen mehr“, sagte die EU-Kommissarin Neelie Kroes am Freitag in Richtung der Netzaktivisten auf der Konferenz Re:publica in Berlin.

Es sei wahrscheinlich, dass das Vertragswerk nicht in Kraft treten werde, erklärte die Kommissarin für die Digitale Agenda. Die vielen Proteste gegen Acta seien ein Weckruf für die Politiker in Brüssel gewesen. Bislang hatte die EU-Kommission das umstrittene Abkommen verteidigt und erklärt, zunächst eine Prüfung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten zu wollen.

Der Verein Digitale Gesellschaft nahm Kroes' öffentliches Bekenntnis positiv auf. Allerdings sei damit das Abkommen noch längst nicht erledigt, sagte der Vorsitzende Markus Beckedahl der Deutschen Presse-Agentur. „Wir setzen auf die Abstimmung im Europaparlament. Bis dahin kann noch viel passieren.“ Der Verein ruft bis zum Votum, das voraussichtlich Anfang Juli erfolgt, weiter zu Aktionen gegen ACTA auf.

In ihrer Rede lobte Kroes die Aktivitäten der Netzaktivisten. Viele kämpften bereits für die Internetfreiheit, etwa mit ihren Protesten gegen Acta: „Das ist eine starke neue politische Stimme.“ Auch wenn sie nicht alle Forderungen teile, begrüße sie die neue Kraft für Offenheit. „Das Beste am Internet ist, dass es offen ist. Ich will, dass es so bleibt.“

Zugleich mahnte Kroes in ihrer Rede auf der Konferenz eine faire Bezahlung für Künstler und Kreative an. Der Wandel von analog nach digital bedeute nicht, dass Inhalte immer kostenlos seien. Es bedürfe allerdings neuer Möglichkeiten, Inhalte zu vertreiben und Arbeit zu honorieren. Veraltete Regeln verhinderten diese manchmal – etwa das Urheberrecht. Manche Leute seien auch zu bequem um zu erkennen, dass die Welt sich gewandelt habe.

Kroes sprach sich dafür aus, mehr Daten von Behörden öffentlich zu machen – diese seien eine Goldmine. „Wenn wir sie öffnen, könnten wir die Kreativität entfachen, die Wirtschaft antreiben und für mehr demokratische Überwachung sorgen.“ Daher habe die Kommission rechtliche Änderungen vorgeschlagen. Die EU-Kommissarin sprach sich zudem für einen starken Datenschutz aus. „Die Menschen nutzen das Internet nicht frei, solange sie nicht die Kontrolle über ihre Daten haben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • M
    Mintkatze

    So gut ich diese Worte finde, so sehr schüren diese Worte aber auch Misstrauen. Denn: die größere Gefahr geht derzeit vom Nachfolgeabkommen CISPA aus und von diesem PNR (= Passenger Name Record).

     

    Das bedeutet: auch wenn ACTA offiziell vielleicht tot sein mag, so bleibt die Gefahr, dass uns hinter unserem Rücken CISPA übergestülpt wird und dieser Passenger Name Record dazugenommen ergibt einen Friebrief für die us-Behörden, die us-Geheimdienste, die us-Regierung und viele mehr um in unseren COmputern rumzuschnüffeln ("heimliche online-Durchsuchung"), unsere Chats und Telefonate mitzulauschen, heimlich alle unsere Emails mitzulesen, dann werden inzwischen durch diese Autobahnmaut-Brücken auch die Kennzeichen von Pkws erfasst und in Datenbanken gespeichert (angeblich ebenfalls zur Terrorbekämpfung).

     

    Daher mus ich sagen: leider ist der Kampf gegen diesen Überwachungsstaat noch lange nicht zu Ende!! Denn erst wenn CISPA ebenfalls für Null und nichtig erklärt ist, kann man von einem größeren Sieg für den Datenschutz reden.

     

    Aber um das wirkliche Ziel zu erreichen, müssen auch noch einige sehr persönliche Daten aus diesem Passenger Name Record ausgemistet werden. Lest zu dieser Sache mal in Wikipedia unter dem Stichwort PNR. OK, ich bin zwar nicht total gegen diesen PNR, aber ich würde ihn etwas ausmisten und Daten rausstreichen (wie etwa Emailadresse, Telefonnummer, eigene Anschrift, IP-Adresse, Rechnungsanschrift, Name des Sachbearbeiters im Reisebüro, etc), die nichts zur Terrorbekämpfung beitragen, bei denen es sich aber um sensible und persönliche Daten handelt.

     

    Gruß

    Mintkatze

  • MR
    Matthias Roeingh

    Acta ist ein Handelsabkommen. Kein Urheberschutz. Deutschland hat das beste Urheberrecht der Welt. Warum wird die GEMA nicht aktiv? Die GEMA hat einen Auftrag Warum tut sie nichts? Sitzt die GEMA vielleicht in einem Egoistischen Elfenbeinturm?