EU-Grüner über Sicherheit: „Mehr Geld und mehr Polizei nötig“
Jan Philipp Albrecht fordert eine bessere Zusammenarbeit in der EU, mehr Geld und Personal. Sozialarbeiter sollen Brennpunkte ausspähen.
taz: Herr Albrecht, wurden bislang zu viele Daten geschützt und zu wenige Menschenleben?
Jan Philipp Albrecht: Nein. Datenschutz und Sicherheit stehen sich nicht im Weg. Sie sind eng miteinander verwoben.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagt: Datenschutz schön und gut – aber in Zeiten von Krisen hat Sicherheit die oberste Priorität.
Er vergrößert damit die vermeintliche Widersprüchlichkeit zwischen Sicherheits- und Grundrechtsinteressen. Ich halte davon wenig. Wir müssen dafür sorgen, dass beide Interessen ihren Platz erhalten. Es ist doch unstrittig, dass wir, gerade wenn es um terroristische Vorbereitungen geht, Daten über verdächtige Personen und Risikobewegungen austauschen müssen. Bisher findet dieser Datenaustausch zwischen EU-Behörden aber so gut wie überhaupt nicht statt, weil es keine gemeinsamen Standards beim Datenschutz und den Verfahrensrechten gibt. Die Attacken in Kopenhagen, Paris und Brüssel zeigen: Es gab Informationen über die Täter, aber sie wurden nicht ausgetauscht.
Eine Antiterrorgruppe aller europäischen Geheimdienste existiert seit 2004. Was hat sie all die Jahre getrieben?
Die Gruppe ist lediglich ein Kontaktbüro zwischen den Geheimdiensten. Das heißt nicht, dass diese verpflichtet wären, Informationen zu teilen oder gemeinsame Ermittlungsteams zu stellen. Beides ist auch besser bei der Polizei angesiedelt.
Dafür wurde bei Europol nach den Attacken von Paris 2015 ein europäisches Terrorabwehrzentrum eingerichtet.
33, innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünenfraktion im Europäischen Parlament, war während der Anschläge in Brüssel.
Ja. Aber für eine effektive Zusammenarbeit haben die Regierungen nicht ausreichend Geld zur Verfügung gestellt. Banales Beispiel: Für internationale Ermittlerteams braucht es viele Übersetzer. Daran hapert es. Es gibt auch sehr unterschiedliche Telekommunikationssysteme und Datenbanken, die nicht miteinander in Einklang stehen. Das sind sehr praktische Probleme. Hier braucht es mehr Geld und mehr Personal.
Die Grünen rufen nach mehr Polizei?
Ja. Nicht wahllos oder aus Prinzip, sondern vor dem Hintergrund, dass mehrere tausend Stellen immer noch unbesetzt sind. Stattdessen wird das Geld in große Datenbanken mit anlasslos gesammelten Massendaten investiert, deren Mehrwert zweifelhaft ist und die ohnehin kaum genutzt werden können, wenn die Beamten dazu fehlen.
Wie viel Geld braucht es?
Zumindest werden einige wenige hunderttausend Euro pro Jahr den grenzübergreifenden Ermittlungsteams nicht gerecht. Wir brauchen eine deutliche Anhebung dieser Summe, die die Mitgliedstaaten investieren müssen. Und wir müssen parallel dazu die Sozialarbeit in den Brennpunkten ausbauen, um Radikalisierungstendenzen früh erkennen und auszuwerten zu können.
Sozialarbeiter sollen die Spähposten für die Polizei übernehmen?
Es geht nicht darum, Menschen auszuspähen, sondern darum, professionell zu versuchen, dem Terror den Boden zu entziehen. Das kann nur durch ein besseres soziales Netz vor Ort passieren. Radikalisierung entsteht aus sozialen Spannungen und Notsituationen. Diejenigen, die in diesem Umfeld arbeiten, haben dann auch den besten Einblick, wo Ermittlungsbehörden ansetzen können. Das geht ohne Denunziation. Wir müssen doch dahin kommen, dass die Polizei auch aus der Zivilbevölkerung Hinweise erhält und dann aufgrund objektiver Indizien und Beweise ihre Ermittlungsarbeit aufnehmen kann.
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