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EU-Gipfel zur FlüchtlingspolitikSlowenien winkt mit dem Zaunpfahl

Die Nerven der Länder entlang der Westbalkanroute liegen blank. Slowenien droht damit, die Grenze dicht zu machen. Merkel und Juncker müssen liefern.

Flüchtlingskind in Slowenien nach einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray. Foto: reuters

Brüssel taz | Es ist schon der fünfte Sondergipfel zur Flüchtlingspolitik in diesem Jahr. Doch wenn sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Staats- und Regierungschefs aus acht Balkanländern am Sonntag in Brüssel treffen, geht es nicht um eine Fortschreibung gefasster EU-Beschlüsse.

Mit Quoten und Kontingenten, Grenzkontrollen und Finanzhilfen haben die EU-Chefs versucht, die Lage einigermaßen in den Griff zu bekommen. Doch es kommen immer mehr hilfsbedürftige Menschen in Europa an. Seit Ungarn die Grenze zu Kroatien abgeriegelt hat, ist Slowenien zum Notstandsgebiet geworden.

Entsprechend groß ist der Handlungsdruck, der nicht nur auf Slowenien, sondern auch auf Deutschland, dem Traumziel vieler Flüchtlinge, lastet. Kanzlerin Angela Merkel soll denn auch die Initiative zu dem Sondertreffen ergriffen haben, das nicht wie üblich im Brüsseler Ratsgebäude, sondern im Berlaymont, dem Sitz der EU-Kommission, stattfindet.

Doch was wollen Merkel und Juncker erreichen? Auch 48 Stunden vor dem Sondergipfel war dies nicht ganz klar. Es gehe darum, ein Signal der Solidarität zu senden und zu zeigen, dass sich diese Krise nur gemeinsam lösen lasse, sagte Junckers Sprecher in Brüssel. Außerdem wolle man die „Zusammenarbeit auf der Balkanroute“ verbessern.

Seit Ungarn die Grenze zu Kroatien abgeriegelt hat, ist Slowenien Notstandsgebiet geworden

Decken und winterfeste Zelte

Was das konkret heißt, blieb offen. Denkbar wäre, die betroffenen Länder – neben Slowenien und Kroatien auch die Nicht-EU-Mitglieder Serbien und Mazedonien – mit Decken und winterfesten Zelten auszustatten und Polizisten als Verstärkung zu schicken. Kroatien hat eine detaillierte Wunschliste.

Doch dies würde am Problem – dem zunehmenden Migrationsdruck – nichts ändern. Griechenland fordert daher, die Flüchtlinge müssten schon in der Türkei abgefangen und registriert werden. Auch Deutschland und Österreich sprechen sich für eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen aus. Bereits dort solle geprüft werden, wer eine Chance auf Asyl hat und wer nicht.

Mit vagen Versprechungen und langfristigen Projekten möchte sich Slowenien nicht abspeisen lassen. „Wir brauchen konkrete Lösungen, die die Situation beruhigen“, fordert Premier Miro Cerar. Seine Regierung würde eine europäische Antwort bevorzugen, fügte er hinzu. Sollte der Balkangipfel jedoch keine greifbaren Ergebnisse bringen, werde sich Slowenien alle Optionen offenhalten – einschließlich des Baus eines Grenzzauns.

Noch ist dies nur eine Drohgebärde, die sich vor allem gegen den Erzfeind Kroatien richtet. Doch Cerars Äußerung zeigt, dass die Nerven auf dem Balkan blank liegen – und dass Merkel und Juncker liefern müssen. Zuvor hatte ihnen dies EU-Ratspräsident Donald Tusk klargemacht. Ausgerechnet beim Kongress der Europäischen Volkspartei in Madrid las Tusk Merkel die Leviten.

„Wir können nicht länger den Eindruck erwecken, dass die große Welle von Migranten etwas ist, was wir wollen, und dass wir eine durchdachte Politik der offenen Grenzen verfolgen“, sagte der Pole. Die EU habe die „Fähigkeit verloren, unser Grenzen zu schützen.“ Es klang wie ein Appell, die Schotten endlich dicht zu machen. Wenn der Balkangipfel keine Ergebnisse bringt, dürfte dieser Ruf noch lauter und dringlicher werden.

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6 Kommentare

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  • Nein, wir haben nicht die Fähigkeit verloren, unsere Grenzen zu schützen. Wir haben die Fähigkeit verloren, die zur Versorgung der Flüchtlinge notwendigen Mittel von denen zu nehmen, die ohnehin viel haben. Mit einem Ende neoliberaler Politik, mit erhöhten Steuern für Reiche, können wir auch sehr viele Flüchtlinge adäquat versorgen. Sie haben ein Recht darauf!

  • "Flüchtlingskind in Slowenien nach einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray".

     

    EUROPA steht vor einer historischen Herausforderung. Das was jetzt geschieht werden die nächsten Generationen in Europa in Schulen und Universitäten besprechen, bewerten und eigene Meinungen dazu sagen!

     

    Wenn man dieses Bild mit dem weinenden Kind sieht und mitfühlt, dann stellt man sich als Mensch vor allem folgende Frage:

     

    "Ist die Würde des Menschen der wichtigste Wert der Europäischen Union und stellt die Europäische Union einen Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns?"

    http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf

     

    Die Europäische Komission muss stärkere Präsenz bei den einzelnen EU-Mitgliedern zeigen. Herr Juncker muss die Werte der Europäischen Union schützen und durchsetzen. Es darf nicht zugelassen werden, dass die Geschichte der Menschheit wieder eine falsche Entwicklung nimmt. Ein Menschenleben ist mit keinem Geld der Welt zu vergleichen und zu bewerten!

  • Warum kann die "Flüchtlingskrise" durch die drei Vorschläge von Frau Merkel

     

    - Entwicklungspolitik in betroffenen Ländern,

    - Lösung der Kriegeskonflikte und

    - Verfolgung von Menschen stoppen

     

    nahezu gelöst werden?

     

    Wenn es keine Ursachen gebe, dann gebe es auch kaum Grund zu fliehen. Nach einer Umfrage gaben die meisten befragten Flüchtlinge aus Syrien an, zurück nach Syrien gehen zu wollen, wenn sich die Lage im Land verbessern würde bzw. wenn der Krieg zu Ende wäre.

  • Eine langfristige Quotenregelung und möglichtst nicht nur bei betroffenen Ländern ist zwingend notwendig und wenn erforderlich, - nach EU-Recht durchsetzbar bzw. erzwingbar. Jedoch neben den Finanzhilfen, Zelten und Lebensmitteln ist die keine wirkliche nachhaltige Lösung. Es muss zusätzlich mit den Ländern zusammen gearbeitet werden, woher Menschen fliehen. Die Ursachen des Fliehens müssen u.a. durch eine starke Entwicklungshilfe beseitigt werden.

     

    Die Schuldzuweisungen, wie die von Ungarn in Richtung Deutschland sind fehl am Platz. Aus Ungarn heisst es, dass "die Flüchtlingskrise" ein deutsches Problem sei. Erstens hat Ungarn durch die EU-Mitgliedschaft viel mehr von Deutschland als umgekehrt. Zweitens: in einer Union hat man gemeinsame Probleme, die man auch gemeinsam lösen muss. Und drittens: Länder wie Ungarn können von der EU nicht nur profitieren und ständig nur etwas nehmen; die müssen auch etwas geben und helfen, wenn deren Hilfe gebraucht wird.

     

    Die Völker Europas sind entschlossen, auf der Grundlage gemeinsamer Werte eine friedliche Zukunft zu teilen, indem sie sich zu einer immer engeren Union verbinden. In dem Bewusstsein ihres geistig-religiosen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte: der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität.

  • „Wir können nicht länger den Eindruck erwecken, dass die große Welle von Migranten etwas ist, was wir wollen, und dass wir eine durchdachte Politik der offenen Grenzen verfolgen“, sagte der Pole.

     

    Da muss der Herr berücksichtigen, dass sehr viele Menschen aus Polen nach Deutschland kommen, um hier nach Arbeit zu suchen und nicht umgekehrt. Wobei das soll nicht zum Ausdruck bringen, dass diese Menschen hier nicht willkommen sind. Beispielsweise Frauen aus Polen, die als Pfleger in Deutschland arbeiten, werden hier sehr geschätzt und gebraucht.

     

    Herr Tusk ist also damit einverstanden, dass seine Landsleute versuchen ständig und großzählig (die sind in Deutschland willkommen) nach Deutschland zu migrieren. Er ist jedoch nicht einverstanden, dass Menschen aus anderen Ländern nach Polen einwandern.

  • Was soll der ganze B.... shit??? Lasst uns die Flüchtlinge in Griechenland abholen. Zumal sich Deutschland grad die luktrativen griechischen Flughäfen unter den Nagel reißt. Stattdessen schicken wir sie, quasi nochmal als Prüfung, ob sie es auch tatsächlich ernst meinen, nochmal auf eine gefährliche Abenteuertour durch den Balkan.

     

    Schäuble hat diesen Sommer den Griechen das letzte Hemd ausgezogen, also sollten wir nun Geld in die Hand nehmen und die Transitzonen, wenn sie denn schon kommen, in Griechenland einrichten, statt nur zu lamentieren und Europas Grundwerte zu demontieren.

     

    Mir drängt sich mehr und mehr der Eindruck auf, dass die Europäer gar nicht so kopflos sind, sondern dass wir eine Krieg gegen Kriegsflüchtlinge führen...