EU-Gipfel zum Brexit in Brüssel: Nur saure Bonbons für May
Theresa May bettelte in Brüssel um Hilfe. Die anderen Staatschefs halten am Scheidungstermin fest. Ist der Brexit-Vertrag noch zu retten?
Doch die Zuneigung reichte nicht mehr aus, um May in der Sache entgegenzukommen. Der Scheidungsvertrag, der erst im November auf einem EU-Sondergipfel besiegelt worden war, könne nicht noch einmal aufgemacht werden, beschieden die 27 verbleibenden Staats- und Regierungschefs die scheidende Britin. Allenfalls könne man noch über „zusätzliche Versicherungen“ reden, betonte Merkel.
Diese Ergänzungen zum Brexit-Vertrag betreffen vor allem den so genannten „Backstop“. Darunter versteht man im EU-Jargon eine Notlösung für den Fall, dass sich Briten und Europäer nicht rechtzeitig über den noch fehlenden Partnerschaftsvertrag einigen. Um dann – vermutlich nach Ende der Brexit-Übergangsfrist am 31.12.2020 – eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland zu vermeiden, soll Großbritannien eng an die EU angebunden bleiben.
Für die EU-Gegner auf der Insel ist das undenkbar. Großbritannien werde zum „Vasallenstaat“, schimpfen sie. Aber auch May hat Probleme mit dem „Backstop“ – denn er hat sich als größte Hürde bei der Ratifizierung des Brexit-Vertrags im britischen Parlament erwiesen. Am Donnerstag Abend trug sie ihre Bedenken und Wünsche bei einem eigens einberaumten Gipfel-Termin vor. Danach stellte sich den Fragen der EU-Chefs.
„Briten müssen sagen, was sie wollen“
Was als freundlicher Austausch gedacht war, geriet zum Debakel. Die Stimmung sei „sehr schlecht“ gewesen, hieß es aus EU-Kreisen. Merkel habe May während ihres Vortrags mehrfach unterbrochen und zu Präzisierungen aufgefordert. Die Kanzlerin ließ die Britin sogar auflaufen. Als May forderte, ein Enddatum für den Backstop festzulegen – sie sprach von Dezember 2021 – lehnte Merkel das rundheraus ab.
Nach der frostigen Runde setzten die EU-27 eine Erklärung auf, die May im Machtkampf in London kaum helfen dürfte – im Gegenteil. Denn „Neuverhandlungen“ werden in dem EU-Papier ausdrücklich ausgeschlossen. Die EU sei aber „fest entschlossen“, mit London schnell Verhandlungen über einen Partnerschaftsvertrag aufzunehmen, um den Backstop doch noch zu verhindern. Die Auffanglösung solle nur „so lange wie unbedingt erforderlich“ in Kraft bleiben.
Wenn das Bonbons sein sollen, dann schmecken sie ziemlich sauer. Säuerlich äußerten sich nach den Brexit-Beratungen auch mehrere EU-Chefs. „Unsere britischen Freunde müssen uns sagen, was sie wollen, anstatt uns zu fragen, was wir wollen“, beschwerte sich Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Die Diskussion sei „mitunter nebulös und unpräzise“. „Wir müssen auch mal wissen, was genau London will“, sagte Luxemburgs Premier Xavier Bettel. „Wir werden nicht Gipfel auf Gipfel auf Gipfel machen“, warnte er.
Zur Not macht die EU auch den „harten Brexit“
Doch genau das zeichnet sich jetzt ab. Nach dem Brexit-Sondergipfel im November und dem frostigen Treffen vom Donnerstagabend könnte es im neuen Jahr noch einen weiteren außerplanmäßigen EU-Gipfel geben. Er hätte den Zweck, die nun auf Januar verschobene Abstimmung im Unterhaus vorzubereiten, sagten EU-Diplomaten. Allerdings macht sich nun auch in Brüssel Pessimismus breit.
Nach der Aussprache mit May glaubt kaum noch jemand daran, dass die notwendige Mehrheit im Unterhaus für den Brexit-Vertrag noch zustande kommt. Merkel und die anderen EU-Chefs ist am Donnerstagabend klar geworden, dass May vor einer „Mission Impossible“ steht – und dass ihr „bestmöglicher“ Deal keine Mehrheit in London hat.
Die EU-27 wollen deshalb nun die Vorbereitungen auf einen „harten Brexit“ ohne Vertrag vorantreiben. Bereits am kommenden Mittwoch will die EU-Kommission ein Notprogramm vorlegen.
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