EU-Gipfel zu Wiederaufbaufonds: Brüsseler Maskenball
Beim EU-Gipfel herrscht die Sorge, dass sich Deutschland blamieren könnte. Ungarns Premier Viktor Orbán droht mit einem Veto.
Kanzlerin Angela Merkel und Gipfelchef Charles Michel mussten improvisieren. Statt der sonst üblichen Umarmungen und Küsschen begrüßte man sich per Ellenbogencheck, nur die Mitglieder der osteuropäischen Visegrad-Gruppe wagten den Händedruck. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán zeigte sich sogar ohne Maske.
Doch das sollten so ziemlich die einzigen Lockerungsübungen bleiben auf diesem ungewöhnlichen Gipfel, bei dem es um den Wiederaufbau nach Corona und das künftige EU-Budget geht. Das Treffen war von Beginn an angespannt. Vor allem Merkel – die am Freitag ihren 66. Geburtstag feierte – war die Nervosität anzumerken.
Sie erwarte „sehr, sehr schwere Verhandlungen“, sagte Merkel bei der Ankunft im hermetisch abgeriegelten Ratsgebäude. Man werde „hart arbeiten“ müssen, um eine Einigung zu erzielen. Auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen betonte den Ernst der Lage. „Es könnte das Risiko heute nicht größer sein“, sagte die Merkel-Vertraute.
Rote Linien und Vetodrohungen
Von dem demonstrativ zur Schau getragenen Optimismus, mit dem Merkel und von der Leyen Anfang Juli in den deutschen Ratsvorsitz gestartet waren, war nichts mehr zu spüren. Im Vordergrund steht vielmehr die Sorge, dass der Gipfel an roten Linien und Vetodrohungen scheitern könnte – und sich die deutsche Doppelspitze blamiert.
Die Hürden scheinen fast unüberwindlich. Die 27 ringen nicht nur um den 750 Milliarden Euro schweren, schuldenfinanzierten Wiederaufbaufonds und das neue EU-Budget, das auf 1,075 Billionen Euro schrumpfen soll. Streit gibt es auch über die Verteilung der Finanzmittel, die geplanten neuen Reformauflagen und um den Rechtsstaat.
Michel hat vorgeschlagen, die Auszahlung von EU-Hilfen an die Rechtsstaatlichkeit zu binden. Doch genau das will Orbán verhindern. Er droht mit einem Veto gegen das gesamte, fast 2 Billionen Euro schwere Finanzpaket. Dies wiederum veranlasste Portugal und Luxemburg, die Rechtsstaatsbindung infrage zu stellen.
„Wenn jeder nach Brüssel mit seiner Liste von Dingen kommt, über die man nicht sprechen darf, bleiben wir besser zu Hause“, sagte Luxemburgs Premier Xavier Bettel zu Orbán. Jedoch sei es „sehr heikel“, die Coronahilfen von einem Kompromiss mit Ungarn abhängig zu machen. „Es wäre schlimm, den Italienern und Spaniern zu sagen: ‚Wir haben nichts für euch erreicht, weil die Ungarn den Rechtsstaat nicht wollten.‘“
Bettel schlug vor, das Thema notfalls auszuklammern. Dies ist jedoch eine rote Linie für den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. Er fordert nicht nur eine Rechtsstaatsklausel, sondern eine „absolute Garantie“, dass die Empfänger von EU-Hilfen auch Reformen einleiten. Die Chance auf eine Einigung liege unter 50 Prozent, so Rutte – seine harte Haltung hat sie gewiss nicht erhöht.
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