piwik no script img

EU-Gipfel zu FlüchtlingspolitikKeine Flucht aus Afrika

Auf ihrem Gipfel peilt die EU die komplette Schließung der „Mittelmeerroute“ aus Afrika an. Bis Dezember sollen „konkrete und messbare Ergebnisse“ vorliegen.

Ihr kommt hier nicht rein: Ankunft in Catania Foto: reuters

Brüssel taz | Europa will sich noch mehr vor „illegalen“ Flüchtlingen abschotten. Dies ist der Tenor eines Beschlussentwurfs für den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag, der der taz vorliegt. Die östliche Mittelmeerroute (über die Türkei) müsse besser überwacht, die zentrale Route (über Italien) komplett geschlossen werden.

Wörtlich ist von „Unterbindung der Migrationsströme über die zentrale Mittelmeerroute“ die Rede. Über diese Route gelangen vor allem Flüchtlinge aus Afrika nach Europa. Damit sich die Menschen nicht mehr auf den Seeweg nach Italien machen, wollen die 28 Staats- und Regierungschefs auch die afrikanischen Herkunftsländer auf Kurs bringen.

Dazu sollen die sogenannten Migrations-Partnerschaften ausgeweitet werden. Bisher hat die EU-Kommission zwei Abkommen vorgeschlagen – mit Jordanien und Libanon. Weitere Vereinbarungen sind mit Niger, Nigeria, Senegal, Mali und Äthiopien geplant. Deutschland fordert, auch Ägypten und Tunesien einzubeziehen.

Es gehe darum, „konkrete und messbare Ergebnisse bei der zügigen operativen Rückführung irregulärer Migranten zu erzielen“, heißt es in dem Entwurf. Dabei müssten auch entwicklungs- und handelspolitische Maßnahmen eingesetzt werden. Im Klartext: Wer sich nicht zur „freiwilligen“ Rücknahme von Flüchtlingen bereit erklärt, muss mit Kürzungen bei der EU-Hilfe rechnen.

Ende der Willkommenskultur

Mit konkreten Ergebnissen wird zwar erst beim nächsten EU-Gipfel im Dezember gerechnet. Am Donnerstag wollen Kanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen jedoch die Richtung vorgeben. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, „ihre Verwaltungsverfahren im Interesse einer effektiven Rückführung auszubauen“. Ein Jahr nach der deutschen Grenzöffnung für syrische Flüchtlinge besiegelt die EU damit das Ende der Willkommenskultur.

Zugleich zeigen sich die 28 entschlossen, den umstrittenen Flüchtlingspakt mit der Türkei wasserdicht zu machen. Der Entwurf fordert „weitere Anstrengungen zur Rückführung von Personen von den griechischen Inseln in die Türkei“ – also noch mehr Abschiebungen auch von syrischen Asylbewerbern. Außerdem verspricht die EU der Türkei: „Die Visumpflicht für türkische Staatsangehörige wird aufgehoben, sobald alle Benchmarks erfüllt sind.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Ich kann dies nur begrüßen. Die Abkommen mit den Ländern werden hoffentlich auch dazu führen, dass sich die wirtschaftliche, politische und soziale Situation in den Ursprungsländern verbessert.

    • @12294 (Profil gelöscht):

      Man kann das ja als frommen Wunsch äußern. Daran glauben sollte man nicht. Es geht den Ursprungsländern, bestimmt nicht besser, wenn es für die perspektivlosen jungen Menschen dort keine Hoffnung auf Migration in ein besseres Leben mehr gibt.

      • 1G
        12294 (Profil gelöscht)
        @A. Müllermilch:

        ...und ebenso wenig, wenn sie alle abhauen. Und uns geht's damit auch nicht besser.

        • @12294 (Profil gelöscht):

          Klar gehts denen besser, wenn alle perspektivlosen nach Europa migrieren. Das Erleichtert das Zusammenleben der verbleibenden und bringt Devisen.

           

          Dass das zu Problemen bei uns führt, will ich nicht in Abrede stellen.

          • 1G
            12294 (Profil gelöscht)
            @A. Müllermilch:

            Sorry, im Zweifel kuck ich dann erstmal lieber nach uns als nach denen. Isso.

  • „Unterbindung der Migrationsströme über die zentrale Mittelmeerroute“

     

    Es gehe darum, „konkrete und messbare Ergebnisse bei der zügigen operativen Rückführung irregulärer Migranten zu erzielen“

     

    Das passt zu 100% zu Merkels aktuellem Kurs gegenüber Flüchtlingen. Wie lange wird es noch dauern, bis auf Pegida-Demos die ersten Schilder auftauchen mit der Parole "Merkel, wir danken Dir, dass Du die Festung Europa geschaffen hast"?

    • @Urmel:

      Naja, die Begeisterung für Merkel wird sich in Grenzen halten, da sie nun auszubaden versucht, was sie selbst mit der Postulation der Hilfe für alle Bedürftigen ohne Obergrenze zumindest zum Teil angerichtet hat.

       

      Wir erleben die Lehrjahre einer Kanzlerin. Sie ist der klassische Zauberlehrling.

      • 1G
        12294 (Profil gelöscht)
        @A. Müllermilch:

        Pfff... Die Rolle des Zauberlehrlings ging schon an Monika Herrmann. Der pro-Kopf-Schaden in Euro war bei der vermutlich höher, da wette ich ein Exemplar von John Osbornes Studie "Gerhart Hauptmann and the Naturalist Drama" drum!