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EU-Gipfel zu Brexit-VerhandlungenLeitlinien verabschiedet

Die verbleibenden 27 EU-Mitgliedsländer haben eine Schlussrechnung von bis zu 60 Milliarden Euro für den Austritt ausgemacht. Eine Strafe soll das aber nicht sein.

Favorisiert weiter gute Beziehungen mit Großbritannien: EU-Ratspräsident Donald Tusk Foto: ap

Brüssel dpa | Die Linie der Europäischen Union für die Brexit-Verhandlungen mit London steht. Ohne Debatte billigten die 27 bleibenden EU-Staaten am Samstag bei einem Sondergipfel einstimmig die Verhandlungsleitlinien, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über Twitter mitteilten. Bundeskanzlerin Angela Merkel machte deutlich, dass die EU vor allem im Streit über die Schlussrechnung für Großbritannien hart bleiben will.

Die finanziellen Dinge müssten geklärt sein, bevor über die Beziehungen nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs gesprochen werde, sagte Merkel kurz vor Beginn des Gipfels. Gleichzeitig betonten Merkel und etliche ihrer Kollegen, dass sie auch künftig gute und enge Beziehungen zu London wollten.

Die britische Regierung hatte Ende März offiziell den Austritt aus der EU beantragt. Darüber soll nach den britischen Parlamentswahlen ab Juni verhandelt und bis März 2019 ein Abkommen geschlossen werden. In den nun verabschiedeten Verhandlungs-Leitlinien wird gefordert, dass zunächst die Bedingungen der Trennung und erst danach die neuen Beziehungen besprochen werden. Die EU hofft auf ein Zwischenergebnis bis zum Herbst.

Merkel sagte, vordringliche Themen seien die künftigen Rechte der EU-Bürger in Großbritannien und der Briten in der EU, aber auch finanzielle Dinge. „Die gehören für uns zu den Trennungsfragen sehr eindeutig dazu“, sagte die Bundeskanzlerin. Kommissionspräsident Juncker bestätigte „vorsichtige Einschätzungen“, dass es um bis zu 60 Milliarden Euro geht. Er legte aber Wert darauf, dass diese Summe noch keine „Forderung“ an Großbritannien sei.

Über die Schlussrechnung nach über 40 Jahren EU-Mitgliedschaft dürfte es in den Brexit-Verhandlungen Streit geben. Dazu zählen Haushaltsverpflichtungen, Zusagen gegenüber EU-Institutionen sowie Pensionskosten für Beamte und etliches mehr. Die britische Regierung lehnt es ab, nach dem Brexit weiter große Summen an die EU zu überweisen.

Die EU versucht, vor den Brexit-Verhandlungen gegenüber London geschlossen aufzutreten und eine einheitliche Position zu wahren. Gleichzeitig sendet sie auch versöhnliche Signale. So sagte EU-Ratspräsident Tusk: „Wir alle wollen für die Zukunft eine enge und starke Beziehung mit dem Vereinigten Königreich, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.“ Merkel sagte: „Wir wollen auch in Zukunft gute Beziehungen zu Großbritannien, aber wir wollen auch als 27 unsere Interessen gemeinschaftlich vertreten. Das ist bislang extrem gut gelungen.“

Der französische Präsident François Hollande sagte, es gehe nicht darum, Großbritannien für den Austritt zu bestrafen, aber: „Das Vereinigte Königreich wird künftig schlechtere Bedingungen haben als heute als EU-Mitglied.“ An die 27 bleibenden EU-Mitglieder appellierte er: „Es geht um die Einheit Europas.“ Auch die Franzosen „können nur gewinnen, wenn sie in Europa bleiben“, sagte er mit Blick auf die französische Präsidentschaftswahl am 7. Mai. Hollande tritt nicht noch einmal an, es war sein letzter EU-Gipfel im Amt.

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2 Kommentare

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  • Franzosen (und ich meine mit Sicherheit nicht alle), die aus Europa raus wollen, haben nur eine Möglichkeit: Auswandern in ein außereuropäisches Land. Die Schweiz ist übrigens auch in Europa - und Norwegen. Weder hilft es Geografie und Politik zu vermischen, noch sich in der Politik einseitig und populistisch zu geben.

     

    All das scheint grade den meisten EU-Politikern nicht sehr viel zu bedeuten bzw. sie wissen es erst gar nicht.

     

    Mir wird jedenfalls mit jedem solchen Artikel klarer, auch wenn es wie hier nur Zitate sind, warum so viele Briten für den Brexit gestimmt haben.

     

    Nicht um der Jugend die Chancen zu nehmen (auf dem 'Arbeitsmarkt'), nicht um einen kalten Wirtschaftskrieg zu starten, sondern vielleicht bloss, weil die hehren Ziel der EU mittlerweile eher in der Vergangenheit oder verwässert sind. Weil was an Politikern verblieben ist, offensichtlicher bloss Handlanger von Wirtschaftsunternehmen sind, als es in den Regierungen der Mitgliedsstaaten der Fall zu sein scheint. Weil der status quo als gottgegeben verherrlicht wird, wenn er z.B. als Grund für die weitgehende Verschonung von größeren Kriegen seit 1945 genannt wird.

     

    Es ist und bleibt halt ein Wirtschaftsbund, bei dem der politische Frieden nur Bonus ist. Wie kann man da so bescheuert sein und in jedem verdammten zweiten Satz Europa und die EU verwechseln (absichtlich? Populismus?)? Das kriegt selbst das so gern dämonisierte Afrika mit seiner AU besser hin, wo keiner um Mitgliedschaft betteln muss.

     

    Öfter mal dpa/Politiker-Neusprech entlarven würde dem Image jeder Zeitung gut tun. So seh ich dafür schwarz und eher rot.

  • Na ja – im Moment muss der staunenden Öffentlichkeit absolute Härte und Geschlossenheit demonstriert werden.

     

    Wenn es dann aber ans „Eingemachte“ geht, werden die Vereinbarungen weit weniger von dem jeweiligen Bauchgefühl geprägt, sondern von knallharten wirtschaftlichen Interessen. Ein Blick auf die sehr unterschiedlich entwickelten Handelsbeziehungen mit GB dürfte sehr schnell den Verdacht aufkommen lassen, dass sich spätestens dann die jetzige Einigkeit der 27 Rest-EU-Staaten in Luft auflösen könnte.

     

    Auch die deutsche Regierung wird irgendwann den gesamten Vorgang differenzierter betrachten: Immerhin exportieren wir zur Zeit etwa doppelt soviel Waren nach GB, als wir von dort beziehen.....