EU-Gelder für Polen: Zu frühe Zugeständnisse
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellt Polen Geld in Aussicht. Damit gibt sie vorschnell ihr Druckmittel aus der Hand.
M an könnte es eine vorauseilende Belohnung Polens nennen. Nichts anderes ist die frohe Botschaft, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag in Warschau verkündet hat. Bis zu 36 Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds könnten jetzt doch noch an Polen fließen, weil sich die nationalpopulistische Regierungspartei PiS vorgenommen hat, auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren – vorgeblich.
Die Disziplinarkammer, Kernstück der seit Jahren umstrittenen Justizreform und ein probates Mittel zur Abstrafung oder Entfernung politisch unliebsamer Richter, soll abgeschafft werden. Doch bislang ist nicht klar, was an ihre Stelle tritt. Am Ende könnte sich herausstellen, dass das angebliche Einlenken der PiS nur Kosmetik ist.
Trotzdem ist von der Leyen, ungeachtet aller Kritik auch aus ihrer eigenen Behörde, bereit, in Vorleistung zu gehen und sich ein Druckmittel aus der Hand nehmen zu lassen. Das Kalkül dahinter ist offensichtlich: Polen gehört zu den Ländern, die bislang am meisten Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen haben. Auch mit Waffenlieferungen an den Nachbarn ist Warschau nicht kleinlich.
Jetzt, da es darum geht, eine gemeinsame Front gegen Russland zu bilden, zieht Warschau mit Brüssel plötzlich mehr oder minder an einem Strang – nicht unwichtig angesichts der Kriegslage in der Ukraine und des Drucks, in Europa geeint aufzutreten. Doch daraus den Schluss zu ziehen, man müsse Warschau beim Thema Rechtsstaat um jeden Preis entgegenkommen, ist falsch.
Bestes Beispiel: Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Der engste Verbündete des russischen Präsidenten Wladimir Putin blockiert bislang erfolgreich die EU-Sanktionen gegen Russland- und hat dafür gesorgt, dass auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I., nicht sanktioniert wird, der Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigt und unterstützt. Damit stellt sich dringlicher denn je die Frage, wie die EU, so sie ihre eigenen Werte noch ernst nimmt, weiter mit Orbán zu verfahren gedenkt. Die Nachsicht mit Polen lässt nichts Gutes ahnen.
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