piwik no script img

EU-Afrika-GipfelMoney, money, money

Europa will Mithilfe, Afrika möchte mehr Geld. Beide geizen mit Zusagen. Verhandlungsmasse: afrikanische MigrantInnen. Außen vor: NGOs.

Beschützen Politiker, keine Flüchtlinge: Ehrenwache beim EU-Afrika-Gipfel. Foto: ap

La Valetta taz | Gleich zu Beginn des zweitägigen Migrationsgipfels in La Valetta, Malta, machte einer der afrikanischen Staatschefs seine Verhandlungsposition unmissverständlich deutlich: „Money, money, money!“, ruft der malische Präsident Keita lächelnd den Journalisten zu.

Auch der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, spricht eingangs über Geld „um Menschenleben zu retten“. 1,8 Milliarden Euro aus dem Europäischen Entwicklungsfonds sollen für 23 Länder in vier afrikanischen Gebieten zur Verfügung gestellt werden. Während des Gipfels sollte auf das Doppelte erhöht werden, am Ende wurden es nur 78 Millionen Euro zusätzlich. Die europäischen Mitgliedsländer hielten sich zurück, während die afrikanischen Staatschefs auf wachsenden Finanzbedarf für Infrastruktur oder die Anpassung an den Klimawandel pochten.

Im Gegenzug sollen die afrikanischen Länder die Migration in den Griff bekommen. Dafür vorgesehen sind Grenzkontrollen, Kampf gegen Schmuggler und nicht zuletzt durch Rückübernahmeabkommen – wichtige Elemente des Aktionsplans.

Das Grundgerüst dafür entspricht im Wesentlichen dem europäischen Interesse, Migration von Afrika nach Europa zu drosseln und sogenannte illegale MigrantInnen, die es über das Mittelmeer geschafft haben, in ihre Herkunftsländer oder in sogenannte sichere Drittstaaten zurückzuführen. Das Übereinkommen ist ein Baustein, um die Außengrenzen Europas dicht zu machen.

Wir sind in einer sehr schweren Situation”

Luxemburgs Außenminister

Die Mechanismen und Instrumente existieren bereits, aber angesichts der Dringlichkeit sollen sie nun effektiver umgesetzt werden. „Wir sind in einer sehr schweren Situation in Europa und brauchen die Hilfe unserer afrikanischen Partner“, so freundlich drückt es der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn aus. Kanzlerin Angela Merkel hingegen spricht deutlicher von „klaren Forderungen” an die afrikanische Seite. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban stellte klar: „Wir sollten die Sprache ändern und Migration nicht als etwas Positives sehen.“

Aktionsplan mit einigen konkreten Maßnahmen

„Der Gipfel konzentriert sich auf das was die Europäer als gemeinsame Herausforderungen Europas und Afrikas bezeichnen“, so sieht es Sarah Tesorieri von Oxfam International. Sie spricht auf der kleinen zivilgesellschaftlichen Konferenz mit dem Titel „#Human Rights First“ am Rande des Gipfels. Ein Event, das vom Medienrummel kaum beachtet in der Universität stattfindet.

taz.bewegung

Was macht die Bewegung vor Ort? Termine wie Infoabende, Diskussionsveranstaltungen, Demonstrationen und Versuche der praktischen Solidarität sammeln wir im Terminfeed zum Schwerpunkt Flucht und Migration auf bewegung.taz.de.

Ein von afrikanischen und europäischen NGOs ausgearbeitetes „civil society statement“ bringt Alternativen ins Spiel, die für Entwicklung auf dem Kontinent und eine humanere Migrations- und Flüchtlingspolitik einstehen. „Entwicklungshilfe darf nicht als Verhandlungsmasse zur Verhinderung von Migration dienen“, heißt es in dem Dokument, das im Gipfelgetümmel unterzugehen droht. NGOs sind nicht zugelassen.

Am Ende des Gipfels steht der Aktionsplan mit einigen konkreten Maßnahmen, mit denen beispielsweise die Rückführung praktikabler gestaltet werden soll. So sollen etwa afrikanische Delegationen dabei helfen, an „Hotspots” und anderen Registrierungsinstanzen afrikanische Staatsbürger zu identifizieren. Doch die afrikanischen „Partner“, auf die sich Europa stützen will, zeigten sich zögerlich bei den anvisierten Transitlagern und den Rückübernahmeverhandlungen.

Nun soll der Aktionsplan schnell umgesetzt werden. Schon Ende 2016 will man die Ergebnisse auswerten – messen wird man den Erfolg vermutlich an zurückgehenden Zahlen afrikanischer Migranten in Europa.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Zuerst einmal sollten in allen Abkommen mit Ländern aus Afrika die Bestimmungen außer Kraft gesetzt werden, einseitig von der EU oder EU-Staaten, die afrikanische STaaten verpflichten, EU-Landwirtschaftsprodukte zu importieren. Afrikanische Staaten müssen die Chance bekommen, sich per eigener Landwirtschaft selbst zu versorgen. Die bisherige EU-Landwirtschaftspolitik gegenüber afrikanischen Ländern zerstört deren eigene Landwirtschaft. Man muss sich nicht wundern, dass irgendwann dann die Menschen nach Europa kommen, wenn man in Afrika den Menschen ihre Lebensgrundlage kaputt macht.

  • Das transnationale Netzwerk Afrique-Europe-Interact (mit Mitgliedsgruppen in mehreren westafrikanischen und europäischen Ländern) hat sich anlässlich des Gipfels an die afrikanischen Regierungen gewandt - mit der Aufforderung, diese kanonenbotartige Erpressungspolitik in Valletta nicht mitzuspielen. Allem Anschein nach wurden zumindest keine Rückübernahmeabkommen seitens der afrikanischen Regierungen ernsthaft in Aussicht gestellt - was prinzipiell zu begrüßen ist. Der offene Brief kann hier gelesen werden: http://afrique-europe-interact.net/1400-0-Offener-Briefe-Valletta-Gipfel-November-2015.html

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Die Afrikaner müssen sich höllisch aufpassen und von den Westen nicht über den Tisch ziehen lassen, wie frühere Jahren oft passiert ist. Wenn es um Betrug geht, kann keiner mit Westen mithalten. Vorsicht geboten.

  • Es ist nicht erkennbar, wie sich das Leben in Afrika mit Hilfe der EU grundlegend und dauerhaft verbessern soll.

    Dabei müsste die EU für jedes Land gesondert, ob etwa Ghana, Algerien oder dem Tschad, wissen, wo den Menschen dort der Schuh drückt und handeln.

  • Wir brauchen dazu nicht die Hilfe der afrikanisches Despoten. Er reicht zunächst, wenn wir die Waffenexporte einstellen, wenn wir das Landgrabbing und die Raubfischerei beenden, wenn wir für deren Produkte und Rohstoffen anständige Preise zahlen und ihre lokalen landwirtschaftlichen Märkte nicht durch unsere Billigexporte ausbluten lassen... und wenn wir der Deutschen Bank, derAllianz und sonstigen Finanzkonzernen die Spekutlation mit Lebensmitteln untersagen.

    • @robby:

      Tja, warum drehen die europäischen Regierungen nicht an den Stellschrauben, die sie selbst in der Hand halten?

       

      Solange z. B. Frau Merkel offensichtlich überhaupt keine Probleme damit hat, dass auch deutsche Finanzmarktspekulanten mit ihren Zockereien Millionen von Menschen in der Dritten Welt in Hunger und Elend treiben, ist ihr humanistisches Geschwafel ein weiterer Beleg ihrer Scheinheiligkeit.

    • @robby:

      Sehr gut geschrieben! Auf die Umsetzung dieser Forderungen müssen wir wohl noch lange warten. Leider! Was wir z.B. machen können, ist, in allen zukünftigen Wahlveranstaltungen diese Themen öffentlich anzusprechen oder vor den Waffenschmieden zu demonstieren. Auch hier heißt es: Steter Tropfen höhlt den Stein. Aber auch die afrikanischen Despoten müssen für mehr Geld für Bildung, Krankenversorgung, d.h. mehr Lebensqualität sorgen, anstatt es in Rüstungsgüter oder/und in ihre eigene Tasche zu stecken.