EU-Abkommen für Abschiebungen: Äthiopien soll kooperieren
Ein EU-Abkommen soll die Überprüfung von Flüchtlingen in Europa durch äthiopische Beamte ermöglichen. Das ist sehr umstritten.
Das Abkommen sieht vor, dass die Botschaften Äthiopiens auf Antrag europäischer Ausländerbehörden innerhalb von drei Werktagen Abschiebepapiere ausstellen müssen. Gibt es keinen Pass, können die europäischen Ausländerbehörden dem äthiopischen Geheimdienst – im Abkommen umschrieben als „Nachrichten- und Sicherheitsdienste“ – Dokumente übermitteln, die Rückschlüsse auf die Staatsangehörigkeit zulassen: etwa die Kopie eines abgelaufenen Ausweises. Die Antwort muss dann innerhalb von zwei Wochen erfolgen.
Gibt es solche Dokumente nicht, können die Ausländerbehörden die mutmaßlichen Äthiopier bei der Botschaft zur Befragung vorführen lassen. Die muss die Befragung innerhalb von zwei Wochen durchführen und entscheiden, ob es sich um einen Äthiopier handelt.
„Auf Antrag“ können die EU-Staaten direkt aus Äthiopien Beamte für „Spezialmissionen“ einfliegen lassen. Diese Möglichkeit will sich die EU vermutlich für den Fall offen halten, dass die Botschaften zu wenige Abschiebepapiere ausstellen. Die Beamten sollen die Abzuschiebenden befragen, um die Staatsangehörigkeit festzustellen. Solche Vereinbarungen sind sehr umstritten.
Bekämpfung von Schleppernetzwerken gelobt
Äthiopien ist neben Mali, Niger, Nigeria und Senegal eines der fünf Länder der sogenannten „EU Partnership Framework Initiative“. Die EU hat diesen Staaten explizit gedroht, dass bei mangelnder Abschiebe-Kooperation Entwicklungshilfe gestrichen werde, bei den Handelsbeziehungen solle es „Konsequenzen“ geben.
Der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) hatte Äthiopien im September in einem Bericht gelobt, weil das Land Fortschritte bei der Bekämpfung von Schleppernetzwerken gemacht habe. Dadurch sei die Zahl irregulärer Migranten, die vom Horn von Afrika nach Europa gelangen, gesunken.
Die „Zusammenarbeit bei der Rückkehr aus der EU“ – bei den Abschiebungen also – sei jedoch „unbefriedigend und die Rückkehrrate ist eine der niedrigsten in der Region“. Das politische „Engagement auf höchster Ebene“ müsse noch in operative Kooperation umgesetzt werden.
Amnesty International sieht die geplante Zusammenarbeit mit dem äthiopischen Geheimdienst NISS bei der Identitsfeststellung mit Sorge. „Innerhalb des letzten Jahres hat Amnesty International immer wieder von Asylverfahren erfahren, in denen die eritreische Staatsangehörigkeit vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angezweifelt wurde“, sagte Franziska Ulm-Düsterhöft, Amnesty-Fachreferentin für Afrika der taz. „Stattdessen wurde davon ausgegangen wurde, dass es sich tatsächlich um äthiopische Staatsangehörige handle.“
In dem EU-Dokument seien keinerlei Kriterien festgelegt werden, wann eine Person für den NISS als äthiopischer Staatsangehöriger gilt. Für Ulm-Düsterhöft stellt sich die Frage, wie sichergestellt werde, dass Eritreer, die teils die gleiche Sprache sprechen, „nicht fehlerhaft die äthiopische Staatsangehörigkeit zugesprochen bekommen und nach Äthiopien abgeschoben werden“. Amnesty habe auch grundsätzlich Bedenken, den NISS direkt auf Personen aufmerksam zu machen. „In der Vergangenheit sei der Geheimdienst immer wieder für die Verfolgung und Verhaftung von Regierungskritiker_innen und diverse Menschenrechtsverletzungen bekannt geworden.“ Das Verfahren sehe keinerlei Zusicherung Äthiopiens vor, Menschenrechte der einzelnen Personen zu wahren, die nach Äthiopien rückgeführt werden.
Der Grüne Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz sagte, die Einschätzung einer Staatsangehörigkeit durch einheimische Beamte habe sich bereits in der Vergangenheit als korruptionsanfällig erwiesen. „Es ist völlig unerklärlich warum dieses Verfahren nun wieder zum Einsatz kommen soll.“ Die Gefahr der Rückführung von Eritreern sei besonders heikel. „Es ist nicht auszuschließen, dass unter dem Vorwand diejenigen abschieben zu wollen, die eine falsche Identität angeben, Menschen zurückgeführt werden, die tatsächlich aus der eritreischen Steinzeitdiktatur geflohen sind“, sagte Kekeritz. Die Betroffenen seien dann in Äthiopien staatlicher Willkür ausgeliefert.
Äthiopische Flüchtlinge sind in Europa eine eher kleine Gruppe. 2016 stellten sie EU-weit etwa 0,3 Prozent aller Asylanträge – insgesamt 3.605. In Deutschland suchten zwischen Januar und November 2017 1.538 Menschen aus Äthiopien Schutz. Im gleichen Zeitraum lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge drei von vier Anträgen ab.
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