EMtaz: Wie man Elferschießen gewinnt: Großreinmacherei
Das Elfmeterschießen ist ein eigenständiges Spiel nach dem Spiel. Nicht selten gewinnt jene Mannschaft, die das wirklich verstanden hat.
E in Drama. Da findet ein großes Fußballspiel statt und am Ende wird es durch das Glücksspiel Eflmeterschießen entschieden. Ungerecht finden das viele. Vielleicht auch, weil es immer die Deutschen sind, die gewinnen, wenn ein Spiel vom Punkt entschieden wird. So wie im Viertelfinale gegen Italien, gegen das die Deutschen sonst nie gewinnen.
Die deutschen Fußballer seien die Söhne des Glücks in diesem Spiel, die in der Lotterie Elfmeterschießen nie eine Niete ziehen, heißt es dann. Und dann sind da noch diejenigen, die es ungerecht finden, dass im Elfmeterschießen auch eine Mannschaft gewinnen kann, die zuvor beim Spiel elf gegen elf die eindeutig schlechtere war.
Einer derer, denen es das Elfmeterschießen nicht gepasst hat, war der große, alte, böse Mann des Fußballs. Sepp Blatter jammerte während der WM 2014 in Brasilien: „Das Elfmeterschießen ist eine Lotterie und das ist eine Tragödie für die Spieler“, und meinte, es gehöre abgeschafft. Ein andere Idee, wie man unentschiedene K.-o.-Spiele entscheiden kann, hatte er nicht. Gut so!
Das Elfmeterschießen ist alles andere als eine Lotterie. Es gewinnt die Mannschaft, die besser schießt, die den besseren Torhüter hat – oder beides. Sie hat dann das Shootout zu Recht gewonnen. Ob sie in den 120 Minuten zuvor auch die bessere Mannschaft war, spielt keine Rolle. Das Elfmeterschießen ist das Spiel nach dem Spiel. Es ist ein eigener Wettbewerb. Und wie faszinierend er sein kann, konnte man am Samstagabend einmal mehr erleben.
Mehr davon, bitte!
Wie wenig das Elfmeterschießen mit Glück zu tun hat, ist gut erforscht. So weiß man, dass Spieler nicht häufiger vom Punkt scheitern, wenn der Torwart ein rotes Leibchen trägt. Gianluigi Buffon hätte sich also etwas anders anziehen können am Samstag. Auch die Farbe der Trikots des Schützen hat keinen signifikanten Einfluss auf die Leistung des Keepers. Wer mit rechts schießt, zielt nicht häufiger in die linke Ecke, als einer der mit links schießt.
Widersprüchliche Studien, gibt es zu den Folgen der einzigen Situation im Elfmeterschießen, in der man wirklich von einer Lotterie sprechen kann: dem Münzwurf vor dem ersten Elfer. Da geht es darum, wer zuerst schießen darf. Eine Studie von Ignacio Palacios-Huerta von der London School od Economics, der 1.343 Strafstöße von 129 Elfmeterschießen analysiert hat kommt, wird gerne zitiert.
Sie kommt zu dem Ergebnis, dass in über 60 Prozent der Fälle das Team gewonnen hat, das den ersten Elfer schießen darf. Eine Untersuchung, von Martin Kocher, Marc Lenz und Matthias Sutter, die 540 Elfmeterschießen analysiert hat, kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass es egal ist, wer zuerst schießt. Nicht einmal die Lotterie vor dem Elfmeterschießen, hat demnach Einfluss auf das Ergebnis. Elfmeterschießen ist keine Glückssache.
Auch ohne wissenschaftliche Unterfütterung konnte man das am Samstag ganz gut sehen. Ist es wirklich mit Pech zu begründen, wenn Bastian Schweinsteiger oder Simone Zaza das Tor weit verfehlen, wie sie es in Bordeaux getan haben? Und ist es wirklich nur Unglück, wenn Buffon zwei Elfmeter, die er hätte halten können, weil er in die richtige Ecke hechtete, passieren lässt?
Manuel Neuer war einfach besser. So wie die Deutschen insgesamt in diesem Elfmeterschießen besser waren. Das Shootout hatte einen verdienten Sieger. Das Elfmeterschießen ist ein fairer Wettbewerb, der zum großen Spektakel werden kann. Die 18 Elfer von Bordeaux waren eine große Show. Mehr davon, bitte!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt