EMtaz: Boateng – Patzer, Tor, Heldentat: Verteidigen in Perfektion

Alle Szenen, die bei dieser Europameisterschaft von den Deutschen bleiben werden, zeigen denselben Mann: Jérôme Agyenim Boateng.

Jerome Boateng mit Brille vor Kameras nach einer Pressekonferenz

Brille: Boateng (99 Euro, unverbindliche Preisempfehlung) Foto: dpa

Als Abwehrspezialist gehört Jérôme Boateng eigentlich einem Berufsstand an, dem Bewunderung nur in einem sehr begrenzten Maß zuteil wird. Defensivkräfte gelten als Handwerker, hymnisch verehrt werden die Gestalter und Vollstrecker wie Payet, Kroos oder Griezmann.

Dass der deutsche Na­tio­nalspieler dennoch bei dieser Europameisterschaft zu den meistgepriesenen Fußballprofis zählt, unterstreicht umso mehr, wie hoch seine Vorstellungen einzuschätzen sind.

Selbst die unmittelbaren Gegner sind fasziniert. Polens Trainer Adam Nawalka, der gefrustet sein musste, nachdem Boateng seinen gefährlichsten Stürmer Robert Lewandowski in der Vorrunde aus dem Spiel genommen hatte, schwärmte: „Es ist eine Freude, ihm zuzuschauen.“

Boateng besticht in diesen Wochen dadurch, dass er alle Grundlagen des Verteidigens in Perfektion vereint. Er ist ein Modellathlet mit einem herausragenden Stellungsspiel, einer beeindruckenden Kopfballstärke, einem millimetergenauen Eröffnungsspiel, und er weiß den Ball auch noch elegant zu behandeln.

Alleiniger Ruhepol

Und weil Mats Hummels einer der wenigen ist, der ihm in diesen Disziplinen recht nahekommt, steht Boateng nun im Halbfinale gegen Frankreich besonders im Mittelpunkt. Hummels muss wegen einer zweiten Gelben Karte aussetzen. Nun soll Boateng als alleiniger Ruhepol der DFB-Elf gegen die starke französische Offensive Halt geben.

Bei den Szenen, die von dieser EM bei den Deutschen haften bleiben werden, stand Boateng auffällig häufig im Mittelpunkt. An seine spektakuläre Rettungstat gegen die Ukraine etwa, als er den Ball von der Linie drosch und dabei ins Tornetz fiel, wird man sich noch lange erinnern.

Oder an den Volleyschuss im Achtelfinale gegen die Slowakei, der die frühe und beruhigende 1:0-Führung bedeutete. Aber auch an seine hochgereckten Arme im Viertelfinale gegen Italien, mit denen er den Elfmeter verursachte, der den Gegner wieder ins Spiel und bis zum Elfmeterschießen brachte.

Es war in der fünften Partie der erste Fehler, der Boateng unterlief, und beinahe hätte er tragische Folgen gehabt. Boateng hätte im Elfmeterschießen mit einem Fehlschuss den formidablen Eindruck, den er bei der EM hinterließ, grotesk verzerren können. Er wäre nämlich gleichbedeutend mit dem Ausscheiden des deutschen Teams gewesen. Doch er behielt die Nerven und traf.

Boateng ist überall

Kurz fühlte man sich an die Anfangsjahre in der Karriere des 27-Jährigen erinnert, in denen er manchmal tapsig und behäbig wirkte. Als eine der entscheidenden Anstöße für seine beeindruckende Entwicklung hebt Boateng immer wieder die Fehleranalyse des Trainers Pep Guardiola hervor, die dieser zu Beginn seiner Amtszeit beim FC Bayern vornahm. In einem zusammengeschnittenen Video führte er Boateng seine Fehler vor.

Seine beharrliches Bestreben nach Perfektion hat ihn auch als Person gestärkt. Der Mann mit dieser mächtigen Figur und den großflächigen Tattoos ist an sich recht scheu. Nach dem mutlosen Auftritt gegen Polen tat er sich überraschend mit einer öffentlichen Fehleranalyse hervor. Boateng ist bei diesem Turnier überall präsent. Selbst dort, wo man mit ihm eigentlich gar nicht rechnet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.