EMBRYONENFORSCHUNG: GRÜNE NEHMEN GRUNDGESETZ ERNST: Wider die Abstufung der Menschenrechte
Die grüne Bundestagsfraktion hat endlich eine klare Position formuliert, ab wann der Mensch ein Mensch ist. Während die SPD fast täglich widersprüchliche Statements herauspustet, haben sich die Grünen entschieden: Weder der Gen-Check von Reagenzglasembryonen, der so genannten Präimplantationsdiagnostik (PID), noch die Forschung mit embryonalen Stammzellen dürfe in Deutschland erlaubt werden. Denn bei beiden Methoden werde menschliches Leben vernichtet. Dies sei, so heißt es, nach „unserem verfassungsrechtlichen Verständnis der Menschenwürde und des Rechts auf Leben nicht vereinbar und verfassungswidrig“.
Die grüne Fraktion hat sich damit unmissverständlich auf die Seite der Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin gestellt. Sie hat sich bisher standhaft dem Ansinnen des Kanzlers und einiger ihrer SPD-KabinettskollegInnen widersetzt, die zumindest für die PID ein Hintertürchen suchen und die Option für die Forschung mit embryonalen Stammzellen nicht gänzlich abschreiben wollen.
Den Vorwurf, sie seien päpstlicher als der Papst, können die Grünen aushalten. Das ist nun wahrlich kein Argument. Geht es bei der verbrauchenden Embryonenforschung und auch bei der PID doch gerade nicht um „ideologische Scheuklappen“, sondern um die Aufweichung und Abstufung der Menschenrechte und der Menschenwürde.
Es muss klar sein, dass nicht die Forschung bestimmen darf, ab wann das beginnende Leben unter der schützenden Hand des Grundgesetzes zu stehen hat. Das Ja oder Nein zur verbrauchenden Embryonenforschung ist keine Frage, die die Naturwissenschaft beantworten kann. Und die Antwort ist auch nicht im Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz zu finden, der da lautet: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Das zentrale Problem ist nicht die Freiheit der Forschung, sondern die in der Verfassung garantierte Menschenwürde. Die Grünen haben also die richtige Frage gestellt: Ab wann ist der Mensch ein Mensch? Dies muss debattiert und auf der Basis unserer ethischen und moralischen Wertvorstellungen beantwortet werden. Erst danach kann über die Konsequenzen für Medizin und Forschung diskutiert werden.
Die grüne Fraktion hat für sich eine Antwort gefunden. Ob ihr die Mehrheit des Bundeskabinetts folgt, ist derzeit fraglich. Aber auch wenn sich die Grünen durchsetzen sollten, sollte man dies nicht als dauerhaften Sieg missverstehen. Denn die Debatte wird spätestens dann erneut aufflammen, und weitaus heftiger als derzeit, wenn sich herausstellen sollte, dass die adulten Stammzellen die embryonalen Zellen in der Forschung nicht ersetzen können. WOLFGANG LÖHR
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