EM-Auftakt der DFB-Elf: Zwei Eigentore
Nach dem 0:1 gegen Frankreich glauben die Deutschen weiter an sich. Thema des Abends war jedoch die Gleitschirm-Aktion von Greenpeace.
Das erste Eigentor dieses Abends, an dem sich die Teams aus Frankreich und Deutschland zu ihrem ersten EM-Auftritt trafen, war schon gefallen, da war das Spiel noch gar nicht angepfiffen. Ein Umweltaktivist von Greenpeace segelte mit einem Gleitschirm ins Stadion. Er transportierte die Botschaft „Kick out Oil!“, die gegen den EM- und Nationalmannschaftssponsor Volkswagen gerichtet war, auf seinem Schirm.
Er geriet ins Trudeln, wäre um ein Haar in die Tribüne gestürzt, hat bei seinem Rettungsmanöver zwei Menschen verletzt und ist dann im deutschen Strafraum neben Verteidiger Antonio Rüdiger gelandet. Eine irre Aktion, die unter den 14.000 Zuschauen in der Münchner EM-Arena vor allem Ratlosigkeit ausgelöst hat.
Das zweite Eigentor des Abends fiel nur 20 Minuten später. Mats Hummels hat es geschossen und damit das Spiel entschieden. Es sollte das einzige Tor bleiben. Nach dem Spiel in der Mixed Zone, die heutzutage auch nichts anderes ist als einer dieser für Büromenschen üblich gewordenen Videocalls, meinten İlkay Gündoğan und Robin Gosens, die Deutschen hätten bewiesen, dass sie mit dem Weltmeister auf Augenhöhe agiert hätten. Darauf ließe sich doch aufbauen.
Dass ihnen nicht so recht gelungen ist, in Schussweite des gegnerischen Tors zu gelangen, haben auch sie bemerkt, und so bleiben die beiden Treffer der Deutschen im WM-Gruppenspiel gegen Schweden die einzigen beiden Tore, die eine deutsche Männernationalmannschaft seit 2018 bei einem großen Turnier erzielt hat.
Wohin mit dem Ball?
Ein Zielspieler im Sturm fehlt der Mannschaft schon länger. Vielleicht auch klarere Ansagen der Trainer. Denn es war ein merkwürdiges Spiel, das sich da entwickelt hat. Viele Fehler wurden gemacht, oft gab es Ungenauigkeiten im Zuspiel, und manchmal wollte Toni Kroos im Mittelfeld genau des Gleiche machen, was sich auch İlkay Gündoğan ausgedacht hatte. Das Spiel, auch das der Franzosen übrigens, wirkte bisweilen merkwürdig amorph.
Während andere Teams durch taktische Disziplin auffallen, war diesmal so eine Art Starfußball zu sehen. Es sind ja in beiden Mannschaften zahlreiche Spieler, die so viel können, dass ein Trainer sie auch ohne allzu feste Vorgaben auf den Platz schicken kann. Wer viel kann, darf sich auch seine Freiheiten nehmen. Derjenige, der sich am meisten zugetraut hat an diesem Abend, war Frankreichs Mittelfeldkraftprotz Paul Pogba.
Der leitete nicht nur mit einem sehenswerten Außenristpass den Spielzug ein, der zu Mats Hummels Eigentor führte, er war so etwas wie der oberste Ballabfänger vor der Abwehr, der ballsichere Spieleinleiter, der auch schon mal drei Gegenspieler auf einmal auszuspielen wusste, und er war beinahe omnipräsent auf dem Spielfeld, vorne, hinten, links, rechts. Er war so etwas wie der totale Fußball in einer Person.
Bissiger Verteidiger
Das muss Antonio Rüdiger so genervt haben, dass er Pogba irgendwann in den Rücken gebissen hat. Eine unfassbare Szene, aus der wieder Pogba als eindeutiger Sieger hervorging. Statt sich auf den Platz zu werfen und zu schreien, machte er den Schiedsrichter höflich und zurückhaltend auf den Vorfall aufmerksam und meckerte nicht groß, als dieser nichts gegen Rüdiger unternahm. Nach dem Spiel sagte er: „Es ist doch nichts passiert. Ich habe den Biss gespürt, habe das dem Schiedsrichter gesagt und dann dessen Entscheidung respektiert.“
Großen Respekt hatten die Deutschen vor allem vor Frankreichs Kylian Mbappé. Der Mann, der mit Ball so schnell laufen kann, dass man es kaum glauben mag, raste den Deutschen ein ums andere Mal auf und davon. Gündoğan mag recht haben, wenn er sagt, die Franzosen hätten in der zweiten Hälfte viele Bälle einfach nur weit und hoch nach vorne geschlagen. Genau da aber lauerte Hochgeschwindigkeitsfußballer Mbappé.
Dass die Deutschen sich nicht durchringen konnten, ihr Angriffsspiel im Drängen auf den Ausgleich weiter nach vorne zu verlegen, hat gewiss mit diesem zu tun. Mbappé war in einer Szene so viel schneller als Hummels, dass dieser alles auf ein spätes und riskantes Tackling setzen musste. Sein Rutscher von hinten an Mbappé heran, bei dem es ihm irgendwie gelang, einen Fuß zwischen die Beine des Franzosen zu bringen, war vielleicht der Höhepunkt des Spiels – was ja auch etwas sagt.
Die Nachbetrachtung stand dann auch eher im Zeichen der Flugeinlage von Greenpeace. Der Gleitschirmflieger wurde in Gewahrsam genommen, der DFB und VW verurteilten die Aktion, Greenpeace entschuldigte sich auf Twitter und Frankreichs Trainer Didier Deschamps nahm eine Beule mit aus dem Stadion. Auf der Flucht vor dem taumelnden Flieger auf die Trainerbank hatte er sich den Kopf angehauen.
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