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EICHELS REFORM DER FINANZAUFSICHT IST UNAUSGEWOGENSuperamt ohne Macht

Bestimmt „der Markt“ über seine eigene Aufsicht oder tut es die Politik? Finanzminister Eichel weicht einer Antwort derzeit aus und trabt lieber dem Markt hinterher. Also: Entmachtung der Landeszentralbanken (LZB) und der Plan, den billionenschweren Finanzplatz Deutschland durch eine einzige Allfinanzaufsicht zu kontrollieren. Dies begründet Hans Eichel mit dem „integrierten, branchenübergreifenden Finanzmarkt“, der hier zu Lande in den Neunzigern entstanden sei. Banken, Versicherungen und Wertpapierhäuser konkurrierten bereits heute um denselben Kunden, und zwar mit ähnlichen Produkten, meint Eichel – also müssten sie der gleichen Aufsicht unterstehen.

Doch die Wirklichkeit des Finanzplatzes sieht anders aus. Längst haben sich die großen Institute von den früheren Machtfantasien der Allfinanz verabschiedet. So fristet der Vertrieb von Versicherungsprodukten über den Bankschalter nur ein Nischendasein. Und auch die Realität der Finanzaufsicht stellt sich anders dar. In der Praxis übernehmen drei Viertel der Bankkontrolle die Bundesbank und die LZB und nicht das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. Diese Bankaufsicht ist aber das Herzstück der Finanzaufsicht. Wer, wie Eichel, auf föderale Strukturen und jahrzehntelange Erfahrungen verzichten will, begeht einen folgenschweren politischen Fehler.

Minister Eichel will mit seinem unausgewogenen Plan in Europa in die Offensive. „Diese zukunftsgerichtete Konzeption könnte Leitbildfunktion für andere Länder haben“, behauptet er in deutscher Bescheidenheit. Wie sieht es aber anderswo aus? Die angelsächsischen Länder bauen tatsächlich auf eine dezentrale Struktur. In den USA ist Greenspan zwar die Galionsfigur, dahinter steht aber ein dichtes Netz regionaler Fed-Banken. Und selbst die Bank von England verlässt sich auf die Informationen ihrer regionalen „Agencies“.

Geldgiganten wie die Deutsche Bank loben Eichels Plan. Kein Wunder: Das Superamt wäre genauso schwach wie seine drei isolierten Vorgänger. Während die US-amerikanischen Finanzwächter scharf wie die Polizei arbeiten, bis hin zur überraschenden Hausdurchsuchung, und sich dadurch Respekt in der Finanzszene verschafft haben, dürfen die deutschen Aufsichtsämter hauptsächlich brav Buch führen und höflich bei den Unternehmen um Informationen anfragen. Selbst Insiderverstöße im Aktiengeschäft werden hier zu Lande bislang so gut wie gar nicht geahndet. Politiker, die diese Ohnmacht der Finanzaufsicht pflegen und gleichzeitig die Landeszentralbanken als Frontkämpfer der Informationsbeschaffung entwaffnen wollen, gefährden Sicherheit und Stabilität des Finanzplatzes. HERMANNUS PFEIFFER

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