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Dumpinglöhne der PaketzustellerBis zu fünf Euro weniger Lohn

Die Post will Paketzusteller in Tochterunternehmen ausgliedern und lehnt eine Schlichtung ab. Hoch sind die Löhne ohnehin nicht.

Fahrzeuge von Paketzustellern in Stahnsdorf, Brandenburg. Foto: dpa

Berlin taz | Im Tarifkonflikt mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi lehnt die Post eine Schlichtung ab, wie sie bei der Bahn gerade läuft. Post-Vorstand Jürgen Gerdes schloss am Dienstag in Berlin kategorisch aus, dass die Post auf die neu gegründeten Tochterunternehmen mit niedrigeren Löhnen verzichten werde.

Es sei nicht Aufgabe des Unternehmens, jetzt einen Schritt auf die Gewerkschaft zuzugehen, sagte Gerdes. Schlichten könne man in Tariffragen, nicht aber in freien unternehmerischen Entscheidungen.

Ausgelöst wurde der Tarifkonflikt durch die Ankündigung des Bonner Konzerns, für die Paketzusteller regionale Gesellschaften unter dem Namen Delivery zu gründen, für die niedrigere Löhne als im Konzern gelten. Verdi will die Post mit dem unbefristeten Streik zwingen, dass auch bei den Töchtern der höhere Haustarif gezahlt wird. „Ich glaube, in der Sekunde, in der Verdi Delivery akzeptiert, wird man relativ schnell eine Lösung finden können“, sagte Gerdes.

„Wir müssen konkurrenzfähig sein“, begründete Postsprecher Heinz-Jürgen Thomezcek gegenüber der taz die Haltung des Konzerns, der in diesem Jahr einen Gewinn von drei Milliarden Euro erzielen will. Der Lohnabstand zur Konkurrenz dürfe nicht zu groß werden, damit sich Onlinehändler für die Post als Dienstleister entschieden. „Dafür sind Kosten und Qualität maßgeblich“, sagte Thomezcek. Die Aktionäre, also die Eigentümer, hätten ein Recht auf Gewinne.

Regional unterschiedliche Niedriglöhne

In den neuen Regionalgesellschaften seien 6.500 Menschen unbefristet eingestellt worden, so Thomezcek. 4.000 seien zuvor bei der Post befristet beschäftigt gewesen; 2.500 seien direkt vom Arbeitsmarkt oder der Konkurrenz gekommen.

Der Haustarif bestimmt, dass ein Paketzusteller 17,80 Euro pro Stunde bei einer 38,5 Stunden-Woche erhält, sagte Thomezcek. In den neuen Delivery-Gesellschaften soll dieser Lohn – regional unterschiedlich – zwischen 12,80 und 18,00 Euro pro Stunde liegen. Teilweise sei das immer noch 50 Prozent über der Konkurrenz, sagte Thomezcek.

Auch bei den Briefzustellern gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen der Post und der Konkurrenz. So bekommt laut dem gewerkschaftlichen WSI-Archiv ein Briefzusteller bei einer 38,5 Stundenwoche 1.970 bis 2.573 Euro brutto pro Monat.

Zum Vergleich: Bei der Konkurrenz von der Pin AG in Berlin gibt es bei einer 40-Stundenwoche ein Einstiegsgehalt von 1.560 Euro, zuzüglich Nachtzuschläge.

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7 Kommentare

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  • Der Skandal ist, daß ein Staatsbetrieb mit dem Beispiel voran geht und den ohnehin löcherigen "flächendeckenden Mindeslohn" unterläuft.

     

    Die Koalition bekennt sich damit freimütig zu Ausbeutungspraktiken.

     

    Aber das ist dem Volk egal, es wählt sich diese Gurkentruppe immer wieder

  • Für Gewinne brauch man heute Ausbeutung, so liest sich das. Besonders abstoßend finde ich, dass das Hauptargument die niedrigen Löhne der Konkurrenz sind. Am Ende verarmen Menschen, die vollzeit arbeiten. Das ist doch pervers und sollte von staatswegen einfach unterbunden werden. Das ist doch so: Wenn ich 8 Euro für eine Lieferung bezahlen muss, bestelle ich einfach seltener und bündele meine Wünsche. Das wäre insgesamt viel besser. So läuft diese Sache doch aus dem Ruder.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Genau! Die Frage lautet nämlich:

     

    Können wir uns die Aktionäre noch leisten? Vielleicht sollten die mal paar Tage Pakete austragen. Mal spüren, wie arbeiten geht. Und sich dann noch sorgen müssen, weil der Hungerlohn nicht reicht.

     

    Gesellschaftlich betrachtet haben wir zu stark auf Betriebswirtschaftler gesetzt. In Zeiten des extremen Egoismus wird zuwenig an die - ich will jetzt nicht Volkswirtschaft sagen - Gemeinschaft gedacht. Alle müssen von ihrer Arbeit leben können, ohne krank zu werden!

  • Soso, die Aktionäre haben ein Recht auf Gewinne, die Mitarbeiter aber kein Recht auf Löhne, von denen sie gut Leben können, dann würde ich vorschlagen, dann verzichtet die Post einfach auf die Mitarbeiten, dann kann sie ganz, ganz viel Lohnkosten einsparen, das führt sicher zu neuen Mega-Gewinnen. Es ist eine Mär, dass die Post in einen harten Wettbewerb mit der Konkurrenz steht, weder qualitativ noch quantitativ kann die Konkurrenz der Post das Wasser reichen, schlecht bezahlte Arbeitnehmer arbeiten nämlich meist auch unzuverlässiger, es gab Zeiten, da musste ich jedem Paket bei Hermes hinter her telefonieren, also versende ich schon lange nicht mehr mit Billigversendern, weil ich bangen muss, dass die Ware ankommt und mehr als 1 Mrd. Gewinn nach Steuern wird doch wohl noch reichen für die Forderungen der Gewerkschaften, wenn das nur 700 Millionen wären, würde die Welt auch nicht unter gehen. Und selbst die Post behauptet, dass die Gewerkschaftsforderungen nur 300 Millionen kosten (vor Steuern, das waren also nach Steuern nur 150 Millionen, wenn die Post Spitzensteuersatz zahlen würde, was sie sicher nicht tut). Die Post hat in den letzten Jahren schon so einiges zum Nachteil der Kunden rationalisiert. Die Touchdisplays der neuen Packstationen gehen schlechter als die alten, es ist eher ein Zufall, wenn der Barcode mal erkannt wird und dann darf man die Zahlen von Hand eingeben, weil die Post wieder gespart hat, und die Schnittstelle zum Kunden übernehmen schlecht Agenturen, die kriegen dann die Wut der Leute ab, obwohl sie selber leidtragende des Systems sind.

    • @Lee Ma:

      Tja - Wir haben uns für den Kapitalismus entschieden. Andere nennen das auch Soziale Marktwirtschaft. Das klingt nicht ganz so roh. Beides bedeutet aber die selbstgerechte, völlig ungenierte Ausbeutung von Mensch und Natur.

    • @Lee Ma:

      Es ist leider ein Irrglaube dass Qualität und Nachhaltigkeit grundlegend vom Kunden geschätzt werden - Ansonsten würde unsere Kleidung nicht aus der dritten Welt kommen. Und ganz aktuell: Der massive Wachstum des Paketmarktes existiert nur weil den Menschen der Weg zur Buchhandlung und zum Einzelhandel viel zu mühsam und Amazon ja so bequem ist. Wir sichern ja lieber den Job der scheinselbstständigen Paketzusteller als die des Buchhändlers. Außerdem hat man dann ja auch mehr Zeit um sich gegen den sterbenden Einzelhandel einzusetzen - Da muss die Politik doch mal einschreiten.

       

      Zu Ihrem Vorschlag: Ich könnte mir vorstellen dass die Auslagerung eine der Alternativen zur Reduzierung des Paketgeschäftes war. Ich kann verstehen dass eine Lohnreduzierung nicht ohne Widerspruch durchgewunken werden kann, aber die ist nur eine Reaktion auf das scheinbar drastische Lohngefälle in dem Sektor. Die höhere Qualität der Postmitarbeiter kann ich nicht bestätigen. Wie bei Ihnen ist das natürlich nur ein Einzelfall, aber ich bin echt entsetzt gewesen wie viele Briefe schon "unbekannt verschollen" sind - Das ging so weit dass wir bei unseren Hochzeitseinladungen die Gäste abtelefonieren mussten ob die Einladungen auch wirklich angekommen sind.

      • @Questor:

        In immer mehr ländlich gelegenen Kommunen gibt es weder eine Buchhandlung noch anderen Facheinzelhandel direkt vor Ort. Sogar Lebensmittelläden und Drogerien fehlen heutzutage in immer mehr Landgemeinden - denn für die ausreichende wirtschaftliche Rentabilität eines Lebensmittel- oder Drogeriemarktes ist insbesondere aus Sicht der großen Handelsketten mittlerweile eine längerfristig "garantierte" Mindestanzahl an Einwohnern bzw. potentiellen Kunden an neuen Investitionsstandorten unumgänglich. Vom unzureichenden ÖPNV-Angebot vieler Landgemeinden in die Städte ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass in diesbezüglich zunehmend "abgehängten" Kommunen oftmals viele ältere Menschen wohnen, die in ihrer Mobilität gesundheitlich eingeschränkt sind und deren Nachwuchs in vielfach weit entfernte attraktivere Städte verzogen ist.

        Für die Menschen in solch "abgehängten" ländlichen Kommunen ist der Online-Versandhandel somit oftmals die einzige Alternative, um ihre notwendigen Einkäufe zu erledigen - was in solchen Fällen absolut nichts mit persönlicher Faulheit oder Bequemlichkeit zu tun hat. Dass gerade unter diesen Umständen die Zustellqualität der Logistikdienstleister stimmen muss - und dass auch in dieser Branche vergleichsweise gute Qualität ihren Preis haben und der Kunde dafür zu zahlen bereit sein muss, braucht nicht extra betont zu werden. Was allerdings neben der oftmals fehlenden Infrastruktur direkt vor Ort ein weiterer Nachteil des Landlebens insbesondere für einkommensschwache Menschen ist, die mit den politisch bewusst kleingerechneten Regelbedarfen staatlicher Sozialhilfe-/Grundsicherungsleistungen auskommen müssen.