piwik no script img

Duisburger Oberbürgermeister erklärt sichSauerland will im Amt bleiben

Den Rücktritt lehnt Adolf Sauerland ab und lässt es auf ein Abwahlverfahren ankommen. Für die Loveparade-Katastrophe sieht er sich nicht verantwortlich.

Rücktritt ist nicht, Abwahl schon: Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Bild: reuters

DUISBURG taz | Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) lehnt einen Rücktritt weiterhin ab und will es auf seine Abwahl ankommen lassen. Das teilte der schwer angeschlagene Christdemokrat am Montagnachmittag mit. "Selbstverständlich" werde er sich "einem gemäß der Gemeindeordnung für das Land NRW vorgesehenen Abwahlverfahren stellen", heißt es in einer persönlichen Erklärung Sauerlands.

Die Geschehnisse bei der Loveparade, bei der 21 Menschen ihr Leben verloren und mehr als 500 verletzt wurden, hätten auch die Mitarbeiter der Stadtverwaltung und ihn selbst in einen tiefen Schock versetzt, schreibt Sauerland. "Wenn ich deswegen in den letzten Tagen Fehler gemacht habe, bitte ich, mir das zu verzeihen." Aber die politische Verantwortung für die Katastrophe will Duisburgs Stadtoberhaupt auch weiterhin nicht übernehmen. "Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich erst Klarheit über eine etwaige tatsächliche Verantwortung der Stadtverwaltung haben muss, bevor ich die politische Verantwortung dafür übernehme", so Sauerland.

Nach Linkspartei, FDP und den Grünen hatte wenige Stunden zuvor nun auch die Duisburger SPD den 55-Jährigen offiziell zum Rücktritt aufgefordert. "Mangelnde Einsicht des Oberbürgermeisters, Sprachlosigkeit und hilflose Ablenkungsversuche schaden dem Ansehen unserer Stadt", heißt es in der Erklärung der stärksten Partei im Stadtrat. Sauerland habe "die moralische und politische Autorität verloren, die das Amt des Duisburger Oberbürgermeisters gerade in dieser für unsere Stadt so schwierigen Zeit dringend benötigt". Sollte er auch weiterhin nicht bereit sein, die politische Verantwortung zu übernehmen und aus dem Amt zu scheiden, sei "seine möglichst baldige Abwahl unabdingbar".

Damit es zu einem Abwahl-Bürgerentscheid kommt, muss der Rat zunächst einem entsprechenden Antrag mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Der Oberbürgermeister gilt dann als abgewählt, wenn sich mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten dafür aussprächen. Sauerland könnte allerdings auch noch von sich aus binnen einer Woche nach dem Ratsbeschluss seinen Amtsverzicht erklären. Damit würde laut NRW-Gemeindeordnung "die Abwahl als erfolgt" gelten und er würde sich das Votum der Bürger ersparen. Bislang kam es in NRW dreimal in kleineren Gemeinden zu Abwahl-Bürgerentscheiden. Zwei waren erfolgreich, einer nicht.

Angesichts der jetzigen Diskussion um die Zukunft Sauerlands fordert die Initiative "Mehr Demokratie", dass Oberbürgermeister und Bürgermeister künftig nicht nur auf Antrag des Rates, sondern auch per Bürgerbegehren abgewählt werden können. "Es ist unwürdig, dass die Bürger in der aktuellen Auseinandersetzung nur Zuschauer sind und nicht selber in die Geschehnisse eingreifen können", sagte "Mehr Demokratie"-Landesgeschäftsführer Alexander Slonka. Es sei zudem nicht sehr logisch, dass in NRW die Wähler ihren OB zwar direkt wählen, aber nicht aus eigener Initiative abwählen könnten. Slonka wies darauf hin, dass eine Abwahl per Bürgerbegehren in drei Bundesländern bereits möglich sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • VZ
    Volks Zorn

    es geht doch nicht nur um den verlust einer pension. ein ruecktritt ginge in richtung schuldeingeständnis, käme einem eingeständnis gleich 6 jahre im amt versagt zu haben, was er definitv hat. hinter der aktuellen unterschriftenaktion, auch hinter trauermarsch und mahnwache stehen rechtsradikale parteien, organisationen, freie gruppen. schaut euch die videos bei bild.de an, achtet auf die fotos und die berichter-

    stattung bei derwesten.de (waz). dort werden sämtliche kommentare im forum, die in diese richtung deuten gänzlich gelöscht. das transparent, das an der bruecke hängt "nichts ist mehr so, wie es einmal war" stammt NICHT von lopavent! diese hatten es vorab auf die weißen trauerplakate gedruckt und im tunnel und am bhf auf plakatwände kleben lassen. das hatte der schwarze rechte block gemacht. dahinter steht die npd, die sich mit der dvu fusionieren will.

  • D
    Dimpflmoser

    @Mat "Denn ein Rücktritt würde ihn SÄMTLICHE Bezüge und pensionsansprüche (auch die aus seiner Zeit als Berufsschullehrer)"

     

    Kann ich mir nicht vorstellen. Was hat denn seine Berufsschulkarriere mit seinem Amt als OB zu tun?

  • R
    RichardT

    Man weiß noch gar nicht wer schuld ist - früher gabs mal sowas wie eine Unschuldsvermutung - aber man verlangt von Herrn Sauerland sich und seine Familie gründlich zu ruinieren indem er auf sämtliche Pensionsansprüche, auch auf die aus seiner Zeit als Lehrer verzichtet.

  • K
    Kommentator

    Obwohl ich Adolf Sauerland für durchaus Mitschuldig halte und auch wenig von ihm als CDU-Politiker und OB halte, kann ich es sehr gut verstehen, dass er seine in 30 Jahren erarbeiteten Pensionsansprüche sichern will. Mann stelle sich vor er stehe demnächste bei der Arge Schlange - inmitten der anderen Duisburger Harz4-Empfänger .... da hätte ich aber auch Angst. Von daher zwar traurig aber durchaus menschlich, die davon schwimmenden Felle seiner Existenz retten zu wollen.

  • W
    Wolfgang

    Politik heißt eigentlich f ü r das Volk zu arbeiten.

    Politiker sehen aber immer mehr ihre eigene Kasse und

    Adolf Sauerlands gibts da viele.

    Und da wundern sich die Politiker noch, daß die Wähler die Schnauze gestrichen voll haben und nicht mehr zur Wahl gehen?

    Das Dreigestirn Politik, Justiz, Kirche,

    verärgert die Menschen immer mehr und büßt an Vertrauen ein. So geht es nicht mehr weiter!

  • G
    Grumpf

    Wenn Ihn die Anklage wegen fahrlässiger Tötung von 21 Menschen und Körperverletzung von diversen anderen erreichen würde könnte er auch gerne diverse Jahre in den Knast wandern.

    Meines Erachtens trägt er als OB ganz offensichtlich Mitschuld und ich gönne ich Ihm die Pension nicht. Er hat in seinem Job groben Mist gebaut und die Pension hat er sich nicht "verdient".

  • W
    win

    Ein klares Bauernopfer! Ziemlich viele müssten sonst zurücktreten. Hat nicht der gesamte Stadtrat einstimmig die Veranstaltung haben wollen? Und der CDU-MdB, der den vorzeitigen Ruhestand des widerspenstigen alten Polizeichefs betrieb? Und der neue SPD-Innenminister, der nach der Katastrophe schnell verräterische Texte Website des Ministermiums entfernen ließ? Oh Mann, es ödet mich an!

  • W
    win

    Ein klares Bauernopfer! Ziemlich viele müssten sonst zurücktreten. Hat nicht der gesamte Stadtrat einstimmig die Veranstaltung haben wollen? Und der CDU-MdB, der den vorzeitigen Ruhestand des widerspenstigen alten Polizeichefs betrieb? Und der neue SPD-Innenminister, der nach der Katastrophe schnell verräterische Texte Website des Ministermiums entfernen ließ? Oh Mann, es ödet mich an!

  • R
    Robert

    Das ist doch nicht zu fassen, was dieser Adolf Sauerland hier aufführt. Er will bitteschön abgewählt werden, damit er sich seine Bezüge sichern kann. Das ist pietätslos und ekelhaft. Er soll sofort die politische Verantwortung übernehmen und zurücktreten.

    Diese Partei ist doch wirklich abartig: Die einen gehen, weil sie keinen Bock mehr haben und mißachten so das Amt, das sie übernommen haben. Die anderen, die gehen müßten, kleben an ihrem Sitz, bis man sie mit dem aus der Amtsstube hinausträgt. Diese Partei und ihre Politiker sind nur noch zum Kotzen. Ein Haufen windiger Machtspekulanten.

  • M
    Mat

    Kein vernünftig denkender Mensch würde an Stelle Sauerlands zurücktreten.

    Denn ein Rücktritt würde ihn SÄMTLICHE Bezüge und pensionsansprüche (auch die aus seiner Zeit als Berufsschullehrer) kosten. Das ist nicht zumutbar.

    Das auch er Verantwortung für das Desaster trägt ist keine Fraage, genau wie auch die Polizei und Schaller. Da gibt es keine Unschuldigen.

     

    Letztendlich macht das Ganze aber auch auf einen anderen Mißstand aufmerksam: Nämlich diese äußerst merkwürdige Pensionsregelung im Beamtenrecht - da muß dringend etwas getan werden.

  • B
    Bobisch

    Moin!

    Nach Meinung eines beteiligten DJ sei das Schließen des inneren Tunnelendes hauptursächlich für das Unglück. Die Ursache /Verantwortlichkeit hierfür scheint bislang ungeklärt.

    Weis jemand was darüber?

    Zum OB: Wieso verlöre dieser auch seine aus seinem Schuldienst erworbenen Bezüge?

    Was wollen die Rücktrittsforderer - freiwillig auf HAZZVIA odda was?

    Durch eine derartige Maximalbestrafung ins soziale Abseits wird ein Rücktritt ja geradezu unmöglich gemacht. Irgendwie kann ich den Mann schon verstehen.

    Wäre dies auch bei Ministern so, träte wohl keiner so schnell zurück...

    BB

  • G
    Gunter

    Früher, als Verantwortung noch an der persönlichen Ehre gemessen wurde, hätte sich ein echter Mann nach so einer Tragödie eine Kugel in den Kopf geschossen. Das das heute nicht mehr gemacht werden muss ist gut, aber dann so ein Schmierlavieren, nur wegen der persönlicher Absicherung angesichts von so vielen Toten ist eine SCHANDE!!! Pfui Teufel!!!

  • F
    Fabian

    Der Typ soll im Amt bleiben, bis er rechtskräftig verurteilt ist - alles andere ist Augenwischerei.

  • K
    Klaus

    Ich kann Herrn Sauerland verstehen. Ein Rücktritt kostet ihm die seit Jahrzehnten bestehenden Pensionsansprüche. Die Abwahl ist da wohl - auch unter Berücksichtigung der gesamten Tragödie - für eine die beste Lösung.

     

    Auch wenn Herrn Sauerland keine persönliche Schuld treffen sollte, so trägt er doch die politische Verantwortung für die Katastrophe, denn er ist der Dienstherr der städtischen Mitarbeiter.

     

    Im Übrigen, auch er wollte die LP. Unter der Voraussetzung, dass der "alte" Herr die Kommentare mit den Warnungen zu den Berichten der LP in der WAZ im Internet nicht gelesen hat (ich bin älter und regelmäßig im Internet), so trägt er doch Verantwortung dafür, dass er sich nicht weiter kundig gemacht hat.

     

    Dass er sein Leben lang an dieser Tragödie tragen wird, glaube ich ihm. Ansonsten wäre er ein Monster

  • W
    Wiederwahlschnecke

    Da muß ein Fehler im Artikel sein !

     

    Bisher haben doch Politiker nur eines gewollt: Wiedergewählt zu werden.

  • W
    Wolfgang

    Was heißt denn das? Hr. Sauerland würde seine Abwahl akzeptieren.

    Kann jemand seine Abwahl nicht akzeptieren?

  • S
    Sch

    Wer will ein Bauernopfer fuer oder anstatt der wirklich Verantwortlichen?

    Wer ist fuer die Loveparade verantwortlich?

     

    Von mir aus koennen mehrere entlassen werden,

    alles veraendert oder was auch immer,

    aber es muss mit den Fakten des Tathergangs

    uebereinstimmen.

    Planung, Durchfuehrung brauchen doch

    Parameter und Menschen, die fuer

    Sicherheit verantwortlich sind.

    Egal, wer der Musiker ist.

  • T
    Tortilla

    Schade das im Artikel nicht erwähnt wird, dass er enorme finanzielle Verluste erleiden würde, wenn er zurücktreten würde. (Its all about the money)

  • V
    vic

    Die taz sollte sich nicht an dem Märchen beteiligen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der geheim ist und noch nie einem Politiker geschadet hat, als schärfstes politisches Instrument zu bezeichenen.

    Tatsächlich verhält es sich so:

    Wer es bis zu diesem Ausschuss geschafft hat, ist aus dem Gröbsten raus.

  • IN
    Ihr NameSusanna

    also ich finde Sauerland macht alles richtig nur weil ihn in erster Linie die Medien als Hauptschuldigen hinstellen und die emotional manipulierte Masse sowie die Gegenpartei ihn "hängen" sehen will muss er sich und seine Familie nicht finanziell zugrunde richten.

     

    Sauerland hat nie behauptet nicht mitverantwortlich zu sein geschweige denn kein Mitgefühl gezeigt für die Tragik des Unglücks an sich und für die der Betroffenen.

     

    Gut diejenigen die von ihm erwartet haben dass er sich vor den Rathausplatz wirft und um Vergebung bittet für seine Untat und alle Schuld auf sich nimmt hat er sicher mit seinem Rückzug erzürnt..

  • C
    Celsus

    Alle Personen, die Zeitungen lesen können, haben schon zahlreiche Hinweise auf gravierende fehler der Stadtverwaltung. Die gab es, weil den städtischen Bediensteten allem Anschein nach auf den dringenden Wunsch des OB nach einem Stattfinden der Love Parade sich gezwungen sahen, dem Anliegen stattzugeben. Und für alle Behördenbediensteten gilt: Wer Anweisungen bekommt, die gegen das Gesetz verstoßen, sollte sich diese Anweisungen immer schriftlich geben lassen!

     

    Zivilcourage war nicht verbreitet und der Druck wohl hoch. Eine Versetzung gab es, bei einer Verweigerin. Bravo für diese Standhaftigkeit! Sie bekmmt hoffentlich einen städtischen Verdienstorden. Bei der standhaften Feuerwehr ebenfalls sehr überlegenswert. Dürfen wir jetzt von Sauerlands Nachforschungen erhoffen, dass er nachher outen kann, wer die Frau versetzen ließ und wer Druck auf die Mitarbeiter Stadt ausübte? Diese Leute sollten sämtlich mit harten Konsequenzen zu rechnen haben. Ist aber da nicht der Bock dann der Gärtner?

     

    Da war doch noch ein CDU-Bundestagsabgeordneter, der den Rücktritt des alten Polizeipäsidenten forderte. Was ist mit dessen Rückgabe seines Mandates???

  • W
    Wolfgang

    Als CDU-ler müßte er sich eigentlich Jesus als Vorbild nehmen.......

  • C
    chris

    Man sollte evtl. schon erwaehnen das der Unterschied zwischen Abwahl und Rucktritt in den Pensionszahlungen liegt.