Düstere Aussichten für die Konjunktur: R-Wort nicht mehr vermeidbar
An der Rezession vorbeigeschrappt? Nix da, meinen die Ökonomen Flassbeck und Spiecker: mittendrin. Finanzminister Scholz glaubt's nicht.
Auch die Bundesregierung will von einem Abschwung nichts wissen. SPD-Finanzminister Olaf Scholz sagte am Montag: „Wir haben unverändert eine ordentliche wirtschaftliche Entwicklung. Die Beschäftigung nimmt weiter zu.“ Allerdings räumte Scholz ein, „das Wachstum hat sich verlangsamt“.
Nach den Berechnungen von Flassbeck und Spiecker befindet sich die deutsche Wirtschaft jedoch eindeutig im Abschwung. Die beiden verwenden die gleichen Erhebungen wie das Statistische Bundesamt – deuten sie aber anders.
Im Zentrum ihrer Analyse steht, dass das produzierende Gewerbe seit Mai 2018 schrumpft: Das Minus beläuft sich auf fünf Prozentpunkte. Das produzierende Gewerbe ist für Wirtschaftsprognosen besonders interessant, weil es ein Frühindikator für die konjunkturelle Gesamtentwicklung ist: Maschinen oder Autos werden vor allem gekauft, wenn Zuversicht herrscht.
Doch die Stimmung hat sich eingetrübt. Auch andere Frühindikatoren deuten darauf hin, dass ein Abschwung ansteht: Der ifo-Geschäftsklima-Index sinkt bereits seit mehr als einem Jahr.
Wie schlimm ist es?
Doch wie tief ist die Rezession insgesamt? Das produzierende Gewerbe ist ja nur ein Teil der Wirtschaft, und nicht alle Branchen sind so konjunkturabhängig: Bereiche wie Pflege, Gesundheit oder Erziehung arbeiten konstant weiter, egal wie es in den Firmen läuft. Flauten in den Produktionsbetrieben schlagen daher nur gedämpft auf die Gesamtkonjunktur zurück.
Heiner Flassbeck
Ein hilfreicher Vergleich ist die kurze Rezession 2012/13: Damals sank die gewerbliche Produktion in zwei Quartalen um kumuliert 3,5 Prozentpunkte, die gesamte Wirtschaftsleistung schrumpfte aber nur um etwa 0,8 Prozent. Mit einem Minus von fünf Prozentpunkten ist das produzierende Gewerbe diesmal stärker eingebrochen – daher dürfte auch die Rezession gravierender ausfallen.
Einen Ausreißer scheint es allerdings zu geben: Der Verband des Bauhauptgewerbes meldete am Montag optimistisch, dass man für 2019 mit einem realen Umsatzplus von einem Prozent rechne. Flassbeck hält diese Prognose für wenig überzeugend und zitiert erneut den ifo-Geschäftsklima-Index: „Auch im Bau sind die Erwartungen deutlich nach unten gerichtet, alles andere ist Propaganda.“ Daten des Statistischen Bundesamtes und der Bundesbank weisen ebenfalls aus, dass das Ausbaugewerbe bereits seit Frühjahr 2018 schrumpft.
Nur warum kommt es überhaupt zur Flaute? Das Statistische Bundesamt hat drei Faktoren ausgemacht, die die deutsche Wirtschaft belasten: die protektionistische Handelspolitik von US-Präsident Trump, die Dürre im vergangenen Sommer und die Absatzschwäche bei Dieselfahrzeugen durch den Abgasskandal. Flassbeck findet diese Analyse zu kleinteilig: „Es gibt eine konjunkturelle Abkühlung auf der ganzen Welt, und die trifft Deutschland am härtesten, weil es am stärksten exportabhängig ist.“
Noch herrscht fast Vollbeschäftigung, aber Flassbeck fürchtet, dass es bald mehr Arbeitslose geben könnte, falls die Bundesregierung nicht ein Konjunkturprogramm auflegt. „Sie sollte Geld ausgeben, mit vollen Händen“. Bedarf gebe es jedenfalls genug: „Von der Infrastruktur bis zur Ökologie“.
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