Dürre in Norddeutschland: Glühende Landschaften
Hohe Temperaturen und wochenlange Trockenheit machen Norddeutschland zu schaffen. Abhilfe könnte nur Regen bringen, und der ist nicht in Sicht.
Aber auch fast allen anderen Flüssen in Norddeutschland fehlt nach wochenlangem Regenmangel der Nachschub. Die Weser war Donnerstagnachmittag am Pegel Intschede südlich von Bremen auf 31 Zentimeter abgeflacht, von ihrem größten Nebenfluss Aller ist kaum noch etwas übrig: In Ahlden nahe des Serengetiparks Hodenhagen war sie noch ganze 18 Zentimeter tief.
Die Temperaturen sollen noch einige Tage auf ostafrikanischem Niveau bleiben: Von kurzzeitiger Abkühlung auf etwa 25 Grad an der Küste abgesehen, bleiben Temperaturen von über 30 Grad die Regel. „Glühende Landschaften“ nennt das Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck.
Selbst die großen Wasserspeicher in Norddeutschland trocknen langsam aus. In den Talsperren im Harz ist deutlich weniger Wasser als gewöhnlich. Aktuell befinden sich in den sechs großen Westharzer Stauseen rund 100 Millionen Kubikmeter Wasser. Das entspricht nach Angaben der Harzwasserwerke einem Füllungsgrad von 55 Prozent. „Im langjährigen Mittel sind es um diese Jahreszeit dagegen 70 Prozent“, sagte ein Sprecher. Der Tiefststand war erst im Sommer vergangenen Jahres gemessen worden. Doch der Rekord von nur noch 49 Prozent Füllmenge könnte schon bald unterboten werden.
Starken Einfluss auf den Wasserstand hat nicht nur der Regenmangel, sondern auch die Hitze: Tag für Tag lösen sich in den Talsperren des Harzes etwa 50.000 Kubikmeter Wasser in Luft auf – sie verdunsten, ohne als Niederschlag wieder in den Kreislauf zurückzukommen.
Trotzdem gilt die Trinkwasserversorgung derzeit noch nicht als gefährdet. „Deutschland ist ein wasserreiches Land. Wasserstress ist nicht zu befürchten“, teilt das Umweltbundesamt mit. Das trifft auch auf den gesamten Norden zu, wo etwa 86 Prozent des Trinkwassers aus den Grundwasserleitern geschöpft werden.
Dennoch ist in diesem Sommer ein besonders sorgsamer Umgang mit der Ressource Wasser ratsam. Vor allem kleinere Stadtwerke sind an der Grenze ihrer täglichen Förderkapazitäten angelangt. Das Rasensprengen und Autowaschen sollte bei der Hitzewelle zumindest eingeschränkt werden, raten die Wasserversorger.
Das sieht der Umweltverband BUND allerdings anders. Der schleswig-holsteinische Landesverband ruft dazu auf, Bäume zu wässern. „Wenn ein Baum einmal einen Trockenschaden hat, dann ist es zu spät“, sagt BUND-Baumexpertin Birte Lindner. Besonders gefährdet seien junge Bäume, deren Wurzeln noch nicht sehr tief reichen. Sie könnten deshalb nicht an die letzten Reste Bodenfeuchtigkeit gelangen.
Wasser aus der Gartentonne
Notwendig seien mindestens 60 Liter pro Baum und dies mehrmals pro Woche. Allerdings sollte dafür kein Trinkwasser verwendet werden, sondern „Wasser aus der Gartentonne“. Dass die aber, sofern überhaupt vorhanden, wegen wochenlangen Regenmangels schon lange ausgetrocknet ist, ist der Aufmerksamkeit des BUND offenbar entgangen.
Auch in den Wäldern im gesamten Norden sind die Folgen der Hitzewelle angekommen. Fast überall herrscht höchste Waldbrandgefahr. In Niedersachsen sind die Feuerwehren in diesem Jahr bis Ende Juli bereits zu 348 Bränden ausgerückt. Im gesamten Vorjahr waren es mit 163 weniger als die Hälfte.
Der dramatische Wechsel zwischen unterschiedlichen Extremwetterlagen lässt sich zurzeit im Langenberger Forst bei Schafflund an der dänischen Grenze beobachten. Dort sind rund 20.000 Pflanzen vertrocknet – vor allem Lärchen und Rotbuchen. Die meisten der Pflanzen sind recht jung, denn sie wurden erst nach den Orkanen „Xaver“ und „Christian“ gepflanzt, die 2013 über Norddeutschland tobten.
Hohe Ernteverluste
Um die Lücken der Windbrüche zu schließen, wurde damals 500.000 Setzlinge nachgepflanzt. Die jungen Bäume könnten den abgesunkenen Grundwasserspiegel nicht mehr erreichen, berichtete der zuständige Förster Jörn Frank dem Schleswig-Holstein-Magazin auf N3 – zwei vollkommen unterschiedliche Naturkatastrophen, die Wälder vernichten.
In der Landwirtschaft sind die Folgen von Hitze und Dürre ebenfalls flächendeckend dramatisch. Bei Getreide und Raps werden im Norden Ernteverluste von mindestens 20 Prozent erwartet. Wahrscheinlich wird der Bund im Herbst den Bauern Entschädigungen leisten. Und das Fischsterben in den Flüssen wegen zu niedrigen Sauerstoffgehalts im Wasser – sofern noch Wasser da ist – hat wohl gerade erst begonnen.
Von der Hitze profitieren einzig und allein die Ferienorte am Wasser. An der Ostseeküste beträgt die Wassertemperatur 23 bis 25 Grad, die Nordsee ist kaum kühler. Fraglich allerdings, ob das noch als erfrischend gelten darf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Bombenattentat in Moskau
Anschlag mit Sprengkraft
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf