Dürfen Vegetarier Retortenfleisch essen?: „Aus ethischer Sicht ist das gut“
Kunstfleisch ist eine mögliche Alternative für Menschen, die unbedingt Fleisch wollen, meint Sebastian Zösch vom Vegetarierbund Deutschland. Er empfiehlt aber Verzicht.
taz: Herr Zösch, ist der erste Hamburger aus Kunstfleisch vegan?
Sebastian Zösch: Nein, streng genommen ist er es nicht. Schließlich wird das Fleisch aus Stammzellen gewonnen, die Tieren entnommen werden. Veganer konsumieren keinerlei Produkte tierischen Ursprungs.
Also wäre Kunstfleisch kein Fortschritt?
Aus ethischer Sicht ist das eine gute Initiative. Die meisten Vegetarier wollen, dass für ihre Ernährung keine Tiere gezüchtet, gemästet und geschlachtet werden müssen. Und all das würde bei Fleisch aus dem Reagenzglas wohl wirklich fast keine Rolle mehr spielen.
Viele Vegetarier verzichten auch aus gesundheitlichen Gründen auf Fleisch. Wie schneidet das Kunstfleisch an dieser Stele ab?
Das hängt sehr davon ab, wie das Endprodukt später beschaffen ist. Bisher ist für mögliche Untersuchungen und Erhebungen noch nichts auf dem Markt. Aber viele Verunreinigungen wie Antibiotika, die massenhaft in der Tiermast eingesetzt werden, würden bei Fleisch aus der Retorte wohl zukünftig wegfallen.
33, führt die Geschäfte des Vegetarierbunds Deutschland (www.vebu.de).
Und die Umwelt?
Momentan ist es noch so, dass sehr viel Energie gebraucht wird, um Kunstfleisch herzustellen. Das lässt sich mithilfe der Forschung künftig sicherlich effizienter gestalten. Die erste Solarzelle war von der Effizienz her auch sehr schlecht. Und heute ist diese Technik so weit, dass man mit ihr massenhaft Energie erzeugen kann.
Kann das Kunstfleisch einen Beitrag im Kampf gegen den Hunger weltweit leisten?
Derzeit bestimmt nicht, weil die Technik in den Kinderschuhen steckt. Ich kann mir vorstellen, dass man in der Zukunft mit wenigen Grundnährstoffen relativ viel Fleisch erzeugen kann. Vielleicht muss man dann auch weniger Kalorien investieren als bei der herkömmlichen Fleischproduktion.
Aber wäre es nicht einfacher und besser, weniger Fleisch zu essen?
Wir empfehlen eine pflanzliche Ernährung. Sie ist auf jeden Fall klimaschonender, besser für die Tiere und besser für die Welternährung. Für die Leute, die unbedingt Fleisch wollen, ist das Kunstfleisch eine mögliche Alternative. Unsere empfohlene Alternative zum Fleisch heißt weiter: genussvoll, fleischfrei, pflanzlich!
Welche Bedeutung hat dann die Kunst-Hamburger-Präsentation in London?
Das Ganze ist jedenfalls eine interessante Geschichte. Alle Experten, die sich das näher angeschaut haben, sagen jedoch: Es ist schwierig, das wirklich massentauglich umzusetzen. Sie fragen: Kriegt man das günstiger hin? Und das mit weniger Energie? Die Medienaufmerksamkeit könnte dazu beitragen, das stärker zu diesen Fragen geforscht wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links