Düfte im Weihnachtsgeschäft: An der Nase herumgeführt

Ob Vanillegeruch beim Bäcker oder Zitronenduft an der Fischtheke – das Umweltbundesamt warnt vor den Lockstoffen des Einzelhandels.

Spüren Sie das auch? Es riecht nach Weihnachten. Bild: ap

BERLIN taz | Weihnachten riecht gut, vielleicht zu gut. Denn dem Duft nach Tanne, Zimt, Vanille lässt sich nachhelfen – Läden lassen sich beduften. Nicht nur im Winter. Die „Beduftung“ von Kaufhäusern, Banken oder Modeläden sei ein „Problem“, erklärt jetzt das Umweltbundesamt. Die Mediziner der obersten Umweltbehörde warnen, dass „empfindliche Personen belästigt oder sogar gesundheitlich beeinträchtigt werden“ können.

Die Düfte sollen den Kunden die Sinne in Läden, Restaurants oder Arztpraxen rauben. Duftdesigner kreieren heute für jeden Ort und Anlass das passende Aroma. Die Münchner Firma Voitino ist einer der Großen in der Branche. Im Internet preist sie „Zitrusaroma an der Fischtheke“, „Backduft in der Backwarenabteilung“ oder „appetitanregender Duft für das Restaurant“ an. Auch im Angebot: der „Welcome-Duft für die Lobby“, der „Konzentrationsfördernde Duft“ etwa fürs Büro und „maskuline Düfte für den Herren-Umkleidebereich“.

„Gegen Düfte kann der Mensch sich nicht wehren, denn mit jedem Atemzug nehmen wir automatisch Duftmoleküle auf“, sagt Eva Göris, Autorin des Buchs „Der Duftcode“. Die Kunden bekämen oft gar nicht mit, dass über Aromasäule oder Klimaanlage ein Duft verteilt werde. Duftmarketing gilt erst als perfekt, wenn es subtiler wirkt. Schon wenige eingeatmete Moleküle können manipulieren. Über die Riechnervenzellen wirken sie im limbischen System des Gehirns. Dort befindet sich auch das Zentrum, das Emotionen speichert.

Der Mensch verbindet Düfte mit Erinnerungen. Der Duft ausgepusteter Kerzen weckt so Weihnachtsgefühle aus der Kindheit, Plätzchengeruch erinnert an die Oma. „Wir sind emotional berührt, wenn wir einen bestimmten Duft wahrnehmen“, meint Goris, „genau das machen sich Duftdesigner zunutze.“ Fühlten sich Kunden wohl, seien sie nachweislich kauflustiger, blieben länger im Geschäft, gäben leichter Geld aus. Goris’ Fazit: „Wir werden an der Nase herumgeführt.“ Die Firma Voitino formuliert das so: Die „Beduftung“ sei eines der „effektivsten und kostengünstigsten Instrumente zur Verkaufsförderung“.

Eine halbe Million Duftstoff-Allergiker in Deutschland

Wolfgang Straff, Duft-Experte beim Umweltbundesamt, sieht die Allgegenwart von künstlichen Düften mit Argwohn. Es gebe hierzulande etwa eine halbe Million Duftstoff-Allergiker. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund erklärt, dass Duftstoffe nach Nickel die zweithäufigste Ursache von Kontaktallergien sind. Im direkten Kontakt mit den Essenzen rötet und schuppt sich dann die Haut, sie juckt und schwillt an.

Möglicherweise ruft auch das Einatmen der Allergene Symptome hervor. Und mancher entwickelt – ähnlich wie bei zu starkem Lärm – Stressreaktionen. Für Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel gibt es Richtlinien, nach denen zum Beispiel Duftstoffe, die besonders häufig Allergien auslösen, auf der Verpackung genannt werden müssen. Dazu gehören Citral, Farnesol oder Linalool. Für Duftkerzen und andere Duftprodukte gilt das nicht.

Geschäftsleute dürfen ohnehin versprühen, was und wie viel sie mögen – Kunden können sich also darauf einstellen. Zu Hause solle man „zurückhaltend mit Duftlampen, Räucherstäbchen und Ähnlichem umgehen“, sagt Straff. Und: „Besser die Wohnung regelmäßig lüften.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.