Drohende Abschiebung nach Afghanistan: Kritik an Berlins Innensenator
Erneut soll am ein Mann aus Berlin nach Afghanistan abgeschoben werden. Flüchtlingsrat und Sozialdemokrat*innen fordern einen Abschiebestopp dorthin.
Laut seiner Anwältin ist der junge Erwachsene, der 2014 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Berlin kam, schwer traumatisiert und hatte Drogen- und Alkoholprobleme. Er habe sich in der Haft aber von seinen Suchtproblemen befreien und sogar einen Schulabschluss machen können.
„Wir wollen die Straftaten des Mannes nicht bagatellisieren. Aber wir halten es für verantwortungslos, sich eines jungen Menschen, der als Jugendlicher nach Berlin gekommen ist und während seiner Kindheit Schreckliches erlebt hat, einfach so durch Abschiebung zu entledigen, noch dazu in Zeiten einer globalen Pandemie“, heißt es in einer Presseerklärung des Flüchtlingsrates zu dem Fall. Die Abschiebung nach absolvierter Haftstrafe käme einer Doppelbestrafung gleich, denn Afghanistan gelte nach dem Global Peace Index 2020 als gefährlichstes Land der Welt und sei zudem derzeit „in extremem Ausmaß“ von der Coronapandemie betroffen.
Der Flüchtlingsrat und das Bündnis fordern deshalb, die geplante Abschiebung zu stoppen und darüber hinaus „einen ausnahmelosen Abschiebestopp für Afghanistan“ zu erklären.
Unmut in der SPD
Auch in der Berliner SPD gibt es Unmut über Geisels Haltung. Franziska Drohsel, stellvertretende Vorsitzende der SPD Steglitz-Zehlendorf und ehemalige Bundesvorsitzende der Jusos, und Timo Schramm, Vorsitzender der AG Migration der Neuköllner SPD und Kandidat im Wahlkreis 1 des Bezirks für die Berlinwahl 2021, kritisierten am Dienstag gegenüber der taz, der Innensenator habe damit gegen eine Absprache verstoßen. Drohsel und Schramm hatten auf dem jüngsten Landesparteitag der SPD Ende November einen Initiativantrag für den Beschluss eines generellen Abschiebestopps nach Afghanistan zurückgezogen – laut ihrer Aussage, nachdem der Innensenator zugesichert habe, bis Ende Februar 2021 keine Abschiebungen dorthin mehr durchzuführen.
Geisel war bereits wegen einer anderen Abschiebung nach Afghanistan Ende August in die Kritik geraten. Der Abgeschobene war zuvor Opfer eines rassistischen Überfalls geworden und Nebenkläger in dem damals noch nicht beendeten Prozess gegen die mutmaßlichen Täter. Zu den Beschuldigten gehörte auch ein Berliner Polizist.
Im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün ist vereinbart: „Rückführungen in Regionen, in die Rückführungen aus humanitären Gründen nicht tragbar sind, wird es nicht mehr geben.“ Die Anwältin des nun von Abschiebung bedrohten Afghanen hat Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.
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