Drogenpolitik: Künstliches Heroin für Schwerstabhängige
Nicht nur die Junkies vom Kottbusser Tor hoffen nach dem Bundestagsbeschluss auf bessere Zeiten.
Die Freude über den Beschluss ist groß. "Das ist ein historischer Moment", sagt Astrid Leicht, Leiterin der Drogenhilfe Fixpunkt. Nicht nur die Junkies vom Szenetreff Kottbusser Tor würden nun auf bessere Zeiten hoffen. "Sie werden sich aber noch umgucken, was von ihnen verlangt wird, um Diamorphin verschrieben zu bekommen", dämpft Leicht die Erwartungen. Der Bundestag hatte am Donnerstag ein Gesetz beschlossen, das die kontrollierte Abgabe von synthetisch hergestelltem Heroin, Diamorphin, an Schwerstabhängige vorsieht (taz berichtete).
Mit dem Gesetz, das nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf, wird eine langjährige Forderung von fortschrittlichen Drogenpolitiker umgesetzt: Heroin auf Kassenrezept für schwerstabhängige Menschen. Vorausgegangen war eine Arzneimittelstudie, die die Wirkung von Diamorphin im Vergleich zu Methadon bei rund 300 Schwerstabhängigen getestet hatte. Sieben Städte, darunter Hamburg, Frankfurt am Main und München beteiligten sich an dem Forschungsprojekt. Berlin war aus Kostengründen nicht dabei. Die 2008 abgeschlossene Studie kommt zu dem Schluss, dass eine Diamorphinbehandlung bei Schwerstabhängigen deutlich bessere Ergebnisse erzielte, als eine Substitutionsbehandlung. Die Behandelten seien oft gesünder, auch die Beschaffungskriminalität gehe zurück, so Christian Haasen, Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Suchtforschung an der Uni Hamburg. Das Zentrum hatte die Studie wissenschaftlich begleitet.
Auch für die Berliner Drogenkonsumenten könnte das Gesetz Erleichterung bringen. Und nicht nur für sie. Bewohner vom Kottbusser Tor haben wie berichtet eine Bürgerinitiative gegründet, weil sie das Elend der Drogenabhängigen vor ihrer Haustür nicht mehr mit ansehen wollen. Seit die Polizei am Kotti verstärkt Streife schiebt, bleiben viele Junkies weg und die Bürger haben sich beruhigt. Auf Dauer wird die Polizei das aber nicht durchhalten. Dazu kommt, dass dem Drogenladen Ska in der Dresdner Straße zum 15. Juni endgültig gekündigt worden ist und keine neue Bleibe in Sicht ist.
Wunder wird aber auch das neue Gesetz nicht bewirken können. Der Rahmen der potenziellen Bezieher ist eng gesteckt. Bundesweit ist von rund 3.000 Personen die Rede. In Berlin geht Fachfrau Leicht von einer Beteiligung von bis zu 300 Schwerstabhängigen aus. Verabreicht werden soll das Diamorphin dreimal täglich unter ärztlicher Aufsicht an Schwerstabhängige, die mindestens 23 sind und zwei erfolglose Therapieversuche hinter sich haben.
Die Altjunkies vom Kottbusser Tor, - 40 Jahre und älter und weite Teile ihres Lebens abhängig - würden die Kriterien erfüllen. Das Problem ist nur: Die meisten sind dazu auch noch alkoholabhängig. Diamorphin darf aber nur verabreicht werden, wenn man dem Alkohol entsagt. Die Kombination könnte tödlich sein. "Aber vielleicht ist die Aussicht auf Diamorphin ja Anreiz, vom Alkohol wegzukommen," hofft Leicht.
PLUTONIA PLARRE
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