„Drittes Geschlecht“ bleibt Streitfall: Kritik am Gesetzentwurf der Regierung

Trans* und Inter*-Organisationen lehnen den Gesetzentwurf des Innenministeriums ab. Es drohe eine „erneute Pathologisierung“, warnen sie.

Eine Gruppe kostümierter Menschen, die Fächer in den Händen halten

LSBTI setzen sich für die Anerkennung einer Vielfalt der Geschlechter ein – hier beim CSD 2018 in Berlin Foto: imago/Bernd Beier

BERLIN taz | Mehrere der wichtigsten Verbände für die Belange von trans*- und inter*geschlechtlichen Menschen haben den Gesetzentwurf zum Dritten Geschlecht, den das Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat (BMI) vorgelegt hat, scharf kritisiert. Die Verbände konnten bis 25. Juli Kommentierungen des Entwurfs beim Ministerium einreichen. Das Gesetz soll noch dieses Jahr verabschiedet werden.

In ihrer Stellungnahme lehnt nun etwa die Internationale Vereinigung intergeschlechtlicher Menschen OII Germany den Entwurf rundheraus ab. „Geschlechtliche Selbstbestimmung soll es nur für einen medizinisch eng definierten Personenkreis geben“, schreibt OII. Das würde eine „erneute Pathologisierung intergeschlechtlicher Menschen“ und aller anderen Menschen bedeuten, die einen männlichen oder weiblichen Geschlechtseintrag für sich ablehnen.

Vorarbeiten von Inter*- und Trans*-Verbänden habe das BMI ignoriert, das im Koalitionsvertrag festgelegte Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen bei Kindern werde erneut aufgeschoben. Auch die Restkategorie „weiteres“ lehne man ab. Das BMI hatte zunächst „anderes“ vorgeschlagen, was unter anderem von Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) und Justizministerin Katharina Barley (SPD) als herabsetzend und ausgrenzend kritisiert worden war.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Herbst 2017 geurteilt, dass „Mann“ und „Frau“ als Angabe im Personenstand nicht ausreichen. Vielmehr müsse der Gesetzgeber eine weitere Option zulassen – und zwar bis Ende 2018. Das Bundesverfassungsgericht hatte durchblicken lassen, dass es durchaus für radikale Lösungen offen ist: Denkbar wäre zum Beispiel, den Geschlechts­eintrag im Personenstand gleich ganz zu streichen, hieß es.

Auch der Verein TransInterQueer TRIQ kritisiert nun jedoch, der BMI-Entwurf sei mit dem „Grundtenor des Urteils“ des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar. Die enge Begrenzung der Personengruppen, für die der Entwurf gelten soll, sei „nicht grund- und menschenrechtskonform“.

Kosten durch weitere Reform auffangen

TRIQ schlägt außerdem vor, die für die Umsetzung des Gesetzes zum Dritten Geschlecht entstehenden Kosten, zum Beispiel für Formulare oder Verwaltungssoftware, durch die Reform eines weiteren Gesetzes aufzufangen: die des Transsexuellengesetzes (TSG). Jüngst hatte Ministerin Giffey angekündigt, ein Projekt ihrer Amtsvorgängerinnen Manuela Schwesig und Katharina Barley (beide SPD) weiterzuführen und das seit 1981 geltende TSG „durch ein modernes Gesetz zum Schutz und zur Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt“ zu ersetzen.

Die enge Begrenzung der Personengruppen sei „nicht grund- und menschenrechtskonform“, so der Verein TransInterQueer

Das TSG regelt vor allem, was passieren muss, wenn trans* Personen ihr personenstandsrechtlich erfasstes Geschlecht und ihren Vornamen ändern wollen. Für die Änderung des Geschlechts im Ausweis müssen zwei unabhängige Gutachten vorliegen, in einem „Alltagstest“ muss bewiesen werden, dass die jeweilige Person dem „Gegengeschlecht“ angehört. Die Verfahren werden von vielen Betroffenen als entwürdigend empfunden und kosten zudem jeweils rund 2.000 Euro.

TRIQ fordert – wie auch die anderen Betroffenenverbände, die Linkspartei und die Grünen – die Gutachtenpflicht abzuschaffen und für die Namens- und Personenstandsänderungen keine psychologischen Begutachtungen mehr heranzuziehen. Ein standesamtlicher Akt, der von der betroffenen Person selbst ausgehe, solle ausreichen.

Die Gelder, die so eingespart würden, sollten für die Umsetzung eines Gesetzes zum Dritten Geschlecht verwendet werden, schlägt TRIQ vor – allerdings für eines, das den Erfordernissen der Betroffenen besser entspricht. Wenn aber sowohl beim Gesetz zur Dritten Option als auch beim TSG nun nur Minimallösungen auf den Weg gebracht werden, würde sich an beiden auf absehbare Zeit nichts mehr ändern.

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