Dresdner auf Kuba im Gefängnis: Im Wettlauf gegen den Hungerstreik

Luis Frómeta Compte wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt, weil er ein Smartphone-Video von einer Demo in Havanna drehte. Er verzweifelt zunehmend.

Blick in den Innenhof eines Gefägnisses

Innenhof des Gefängnisses Combinado del Este in Havanna Foto: Alejandro Ernesto/EPA/dpa

BERLIN taz | Ein Gefängniswärter führte sie in einen separaten Raum, so erzählt es Silke Frómeta Compte. Darin standen zwei Ledersessel, eine Couch, ein Tisch. Wenigstens ein bisschen Privatsphäre, auch wenn ihr klar war, dass sie abgehört werden. Auf der Couch saß ihr Mann, mager und erschöpft, den Blick auf den Boden gerichtet. „Er war alleine dort, sonst hätte ich ihn nicht erkannt. Vielleicht nur an den Augen.“ Vergangene Woche durfte die Dresdnerin ihren Mann erstmals im Hochsicherheitsgefängnis Combinado del Este nahe Havanna besuchen.

Luis Frómeta Compte sitzt seit Juli in Haft, weil er bei Protesten gegen die Regierung in Havanna ein Handyvideo drehte. Kurz vor Weihnachten verurteilte ihn die Kubanische Justiz wegen Anstiftung zum Aufruhr zu einer Gefängnisstrafe von 25 Jahren. „Er hat gesagt, es ist die Hölle für ihn“, sagt seine Frau. Ihr Mann überlege jetzt, in Hungerstreik zu treten, wegen der Haftbedingungen und der unverhältnismäßig hohen Strafe. Seine Frau und seine beiden Töchter versuchen, ihn von dem lebensgefährlichen Hungerstreik abzuhalten.

Als Frómeta Compte am 11. Juli vergangenen Jahres festgenommen wird, ist der 58-Jährige gerade zu Besuch bei seiner Familie auf Kuba. Er kam 1985 als Gastarbeiter in die DDR und machte eine Ausbildung zum Forstfacharbeiter, gründete eine Familie und lebt seither in Dresden. Am Tag der landesweiten Proteste gegen die wirtschaftliche Lage und die Corona-Politik auf Kuba ist er mit seinem Schwager unterwegs, „etwas einkaufen“, erzählt seine Tochter, Janie Frómeta Compte. Sie hätten die Demonstration gesehen, auch, wie brutal die Polizei in die Masse ging. „Das hat mein Papa gefilmt und ist, anstatt wieder nach Hause zu gehen, einfach mal mitgelaufen. Die haben sich da ein Stück weit mitreißen lassen, mein Papa kennt die bessere Welt ja hier in Deutschland.“

Bei den Protesten nimmt die Polizei nach Angaben der Nachrichtenagentur afp 1.300 Menschen fest, dutzende werden verletzt, einer von ihnen tödlich. Mehr als 700 Menschen werden verurteilt – manche zu Haftstrafen von sechs Jahren, andere zu bis zu 30 Jahren.

Compte ist politischer Gefangener

„Angesichts der Proteste will die Kubanische Regierung ein Exempel statuieren“, sagt Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.

Die Organisation unterstützt Luis Frómeta Comptes Töchter beim Engagement für ihren Vater; sie stellt Kontakt zur Botschaft und zum Auswärtigen Amt her, organisiert eine politische Patenschaft durch den CDU-Bundestagsabgeordneten Lars Rohwer und verbreitet eine Petition vor dem Europa-Parlament, die auf den Fall aufmerksam machen soll. Aus Sicht der Organisation ist Frómeta Compte unschuldig und aus politischen Gründen inhaftiert.

„Aus der Tatsache, dass er ein Video bei den Protesten gedreht hat, wird ein staatsfeindlicher Angriff konstruiert und er als ausländischer Agent behandelt“, sagt Lessenthin. Da er sowohl die deutsche als auch die kubanische Staatsbürgerschaft hat, werde Frómeta Compte zum Spielball der internationalen Politik, seine unverhältnismäßig hohe Haftstrafe zum Druckmittel, um eine wohlwollendere Haltung Deutschlands und der EU gegenüber dem Kommunistischen Regime zu erzwingen. „Kuba möchte Wirtschaftshilfen und sieht im Moment wenig Entgegenkommen von Deutschland. Indem man einen Gefangenen so behandelt, kann man versuchen, das zu erpressen.“

Luis Frómeta Compte Arm in Arm mit seinen Töchtern

Luis Frómeta Compte mit seinen Töchtern Foto: privat

Für Janie Frómeta Compte wäre ein solches Vorgehen Kubas nicht nachvollziehbar. „Mein Papa ist null politisch. Das ist bei uns nie ein Thema gewesen, dass wir über irgendwelche Systeme sprechen.“ Ihr Vater sei ein ruhiger, eher zurückhaltender Mensch und ein liebevoller Vater und Großvater. Dass er in den Protest geraten sei, sei „für die Kubanische Regierung gefundenes Fressen.“

Warnung an Exil-Kubaner*innen

Gabriele Stein von Amnesty International widerspricht der Erklärung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. „Ich glaube nicht, dass die Kubanische Regierung mit Einzelfällen die Deutsche Regierung erpressen will. Uns scheint das eine nicht nachvollziehbare Behauptung zu sein.“ Vielmehr gehe es um Abschreckung gegenüber anderen Exil-Kubaner*innen. Dass Frómeta Compte keinen Besuch von Re­prä­sen­tan­t*in­nen der Deutschen Botschaft empfangen darf, sei keine Ausnahme in Kubanischen Gefängnissen – dass zumindest seine Familie vor Ort ihn regelmäßig sprechen darf, hingegen Glück.

Die Kubanische Regierung sei in den vergangenen Jahren repressiver geworden, sagt Stein, die mit ihrem Team die Menschenrechtssituation in dem Land schon seit Jahren beobachtet. Vor einiger Zeit noch habe die Justiz politische Gefangene mittelfristig frei- oder zumindest in den Hausarrest entlassen, wenn mehrere Staaten wie Deutschland gegen ihre Haft protestierten. Das geschehe mittlerweile nicht mehr, auch die Haftstrafen seien so hoch wie lange nicht. „Die Situation auf Kuba ist nicht ganz so schlimm wie unter Fidel Castro, aber wir sind nicht weit davon entfernt.“

Kuba verfolge Oppositionelle und Kulturschaffende, weil die Regierung um ihre Macht bange, vermutet Stein. So traurig es für die Frómeta Comptes sei, ihr Schicksal sei kein Einzelfall. Kuba zeige kein Entgegenkommen, auch nicht bei einem Hungerstreik. „Die Regierung lässt es darauf ankommen.“

Janie Frómeta Compte ist skeptisch, dass sie den Hungerstreik ihres Vaters verhindern kann. „Unsere Familie auf Kuba hat ihn bisher davon abhalten können, aber ich kenne meinen Papa, wenn er sich sowas in den Kopf setzt. Das ist wirklich eine grenzwertige Situation, es ist nur noch eine Frage der Zeit.“ Beim Besuch im Gefängnis habe sie etwas Essen mitgebracht, sagt Silke Frómeta Compte. Frittiertes Hühnchen und Salat, dazu ein paar Kekse, Marmelade und Eukalyptusbonbons. „Aber er wollte es erst nicht nehmen.“ Fast drei Wochen habe sie auf Kuba verbracht und versucht, ihren Mann zu besuchen. Erst am vorletzten Tag genehmigten die Behörden, dass sie ihn sehen dürfe.

Es sei schlimm gewesen, sagt sie, ihre Stimme stockt. „Ich habe meinen Mann zwei Mal weinen sehen. Das eine Mal war, als seine Mama gestorben war, und das andere jetzt im Gefängnis. Der hat so bitterlich geweint.“ Sie selbst habe sich zusammengerissen, habe versucht, ihn aufzumuntern, ihm von den Kindern erzählt, von Freunden und von ihrem Garten. „Ich hoffe, dass ich es geschafft habe, ihn vom Hungerstreik abzubringen“, sagt sie. Das mitgebrachte Essen zumindest habe er schließlich mitgenommen.

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