Drei Ai-Weiwei-Ausstellungen in Peking: Holz aus der Südostprovinz
Die chinesischen Behörden dulden gleich drei Einzelschauen des regimekritischen Künstlers. Dabei ist der subversiv wie eh und je.
2011 warfen ihm die Behörden vor, Proteste anzustacheln, in Anlehnung an den „Arabischen Frühling“. Diese Proteste hat es in China nie gegeben – woraufhin die Behörden Weiwei Steuerbetrug vorwarfen. Wenn er erstmals seit mehr als vier Jahren die Möglichkeit hat, in seiner Heimatstadt wieder Werke zu zeigen, muss sich der regimekritische Künstler politisch entsprechend zurücknehmen. Doch tut er das wirklich?
Die Ausstellung heißt „Ai Weiwei“ und befindet sich in dem berühmten Pekinger Szeneviertel 798, einem ehemaligen Fabrikgelände, das Ai und andere in den neunziger Jahren zu einem Künstlerviertel herrichteten. Zu sehen ist eine rund 400 Jahre alte Ahnenhalle aus Chinas ländlich geprägter Südostprovinz Jiangxi. Ai hat mit seinem Team das hölzerne Bauwerk in 1.500 Einzelteile zerlegt, nach Peking verfrachten lassen und wieder aufgebaut.
Ungewöhnlich daran ist, dass das Kunstwerk auf zwei Galerien aufgeteilt ist. In der ersten, der Galleria Continua, ist die eine Hälfte zu sehen, die andere Hälfte befindet sich im Tang Contemporary Art Center direkt daneben. Einen Durchgang sucht man vergebens, auch Schilder, die auf die Fortsetzung hinweisen, fehlen.
Die Behörden erkennen an dem dekonstruierten Holzgebäude nichts Subversives. Dabei findet sich in diesem Werk eine politische Anspielung. Wer die Motivwelt Ai Weiweis kennt, weiß: Er thematisiert in seinen Werken nicht nur Menschenrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung und Behördenwillkür. Er kritisiert zudem die Zerstörungswut in seinem Land und die gängige Praxis, alte Bauten niederzureißen und sie durch neue zu ersetzen.
Darin sieht er auch ein Symbol für das soziale Gefüge, das der Kommunismus niedergerissen hat. „Die alte Ordnung ist über mehrere tausend Jahre entstanden. Rational oder nicht, es handelt sich um ein integriertes System, das wir Zivilisation nennen“, sagt der Künstler. Einmal ausgerissen, dauere es Jahrzehnte, bis wieder etwas nachwachse – das gilt aus seiner Sicht sowohl für die Bäume, aus denen das Haus bestand, wie für den zwischenmenschlichen Zusammenhalt.
Auf seiner bislang größten Schau vor einem Jahr im Berliner Martin-Gropius-Bau überzog er acht 2.000 Jahre alte Vasen aus der Hang Dynastie mit metallisch glänzendem Autolack – eine Anspielung auf die geringe Wertschätzung in seinem Land gegenüber traditionellen Werken. Dieses Muster findet sich auch bei der Ahnenhalle. Doch die Anspielung ist den Behörden entweder entgangen oder sie lassen ihn bewusst gewähren.
Das Kunstwerk ist nicht die einzige Ausstellung, die Ai Weiwei in diesen Tagen in Peking zeigen darf. Nur einige hundert Meter weiter hat er am vergangenen Wochenende in der Pekinger Galerie Chamber eine – wenn auch deutlich kleinere – Einzelausstellung eröffnet. Und an diesem Sonntag folgt eine weitere. Während Ai in seinem Pekinger Studio Werke für weltweit mehrere Dutzend Ausstellungen kreierte, war er in seiner Heimat eine persona non grata. Vielleicht haben die Behörden erkannt, wie absurd dieser Widerspruch ist.
Ist Ai Weiwei damit rehabilitiert? Bislang nicht. Denn offiziell genehmigt ist die Ausstellung nicht. Sie wird lediglich geduldet. Und der eigentlich anvisierte Eröffnungstag, der für Ende Mai vorgesehen war – den hatten die Behörden ihm auch untersagt. Wenige Tage vor dem Jahrestag des Massakers auf dem Tiananmen-Platz war die Furcht wohl zu groß, dass der Künstler bei der Vernissage womöglich eine Anspielung auf die damalige Niederschlagung von Chinas Demokratiebewegung wagen würde.
Und dennoch: Seit zwei Wochen ist Ai Weiweis Ausstellung nun für jeden Pekinger öffentlich zugänglich. Und auch die Staatsmedien erwähnen ihn. Es handelt sich um seine erste Einzelausstellung in seinem Heimatland überhaupt. Chinas Regime lockert die Leine, an der es Ai gehalten hat – zumindest vorerst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter