Drehbuchautorin klagt wegen Belästigung: #MeToo in Chinas Staatsfernsehen
Als die Chinesin Zhou Xiaoxuan ihre Belästigungserfahrung öffentlich machte, wurde sie zensiert und bedroht. Ihr Fall landet nun vor Gericht.
Eine Antwort fordert auch die mittlerweile 27-jährige Zhou Xiaoxuan. Als sie im Wintermantel zu ihrer Anhörung erscheint, gibt sie ein kurzes Statement ab: „Selbst wenn wir in diesem Fall letztlich keinen rechtlichen Sieg erreichen werden: Solange wir der Öffentlichkeit beweisen, dass es Opfer von Gewalt gegen Frauen gibt, ist das schon eine Art Sieg.“ Darauf verschwindet Zhou unter Tränen im Gerichtsgebäude.
Die Drehbuchautorin ist eines der wenigen öffentlichen Gesichter von Chinas MeToo-Bewegung. Zwei Jahre nach der ersten Anzeige landet ihr Fall nun vor Gericht. Inspiriert durch den globalen Aufschrei von Frauen, die Belästigungs- und Gewalterfahrungen öffentlich machten, teilte auch Zhou im Sommer 2018 ihre Geschichte.
Als Praktikantin beim staatlichen Sender CCTV wurde sie eines Tages gebeten, einen Obstteller in die Garderobe des TV-Moderators Zhu Jun zu bringen. Dort habe dieser sie gegen ihren Willen geküsst und sexuell belästigt.
Frauen beschrieben ähnliche Erfahrungen
„Es ist wichtig für jedes Mädchen, offen auszusprechen, was sie erlitten hat“, schrieb sie damals in einem Essay, der auf den sozialen Medien viral ging. Darauf schrieben ihrerseits viele Internetnutzerinnen über männliche Gewalt – ehe die Zensur die Kommentarfunktion deaktivierte und den Medien verbat, über den Fall zu berichten.
Der mutmaßliche Täter ist 56-Jahre alt und einer der mächtigsten Männer der Branche. Regelmäßig moderierte er die Neujahrsgala, Chinas Megafernsehereignis mit über 700 Millionen Zuschauern.
Zhu Jun bestreitet die Vorgänge nicht nur, er reichte auch eine Verleumdungsklage ein. Darauf passierte das für chinesische Verhältnisse Einmalige: Statt aufzugeben, wie sie es zunächst vorhatte, entschied sich Zhou Xiaoxuan vor Gericht zu kämpfen.
Auch wenn die Staatsführung Frauenrechte thematisiert und durchaus Erfolge auf dem Gebiet vorzuweisen hat, geht sie dennoch rigoros gegen Graswurzelbewegungen der Zivilgesellschaft vor. So ist die Polizei auch vor dem Gerichtsgebäude in Peking zur Stelle. Ein Beamter bittet die anwesenden Frauen, ihre Protestschilder beiseitezulegen. Zwei seiner Kollegen hingegen gehen überaus ruppig vor – und führen die Videoreporter westlicher Medien ab.
Im chinesischen Netz lässt sich bis zum Abend des ersten Verhandlungstags kein Bericht der Medien finden. Verzweifelt über die Zensur schreibt eine Frau auf ihrem Social-Media-Account: „Ich warte hier schon den ganzen Tag, aber ich kann nichts in den Nachrichten finden. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands