Dossier Arabische Revolution: "Ich wusste, wir würden gewinnen"
Zelte aufbauen, Wasser besorgen, Videos drehen: Die ägyptische Aktivistin Mona Seif erzählt, wie die Besetzer den Alltag und die Verteidigung des Platzes organisierten.
taz: Frau Seif, Sie waren 18 Tage lang auf dem Tahrir-Platz - was haben Sie da gemacht?
Mona Seif: Ich habe wie jeder normale Demonstrant Parolen gerufen und geholfen, die alltäglichen Dinge zu organisieren. Als das Internet abgestellt wurde, übernahm ich mit Freunden die Aufgabe, tagsüber Videos zu drehen und Zitate zu sammeln und diese abends in die benachbarte Wohnung eines Freundes zu bringen, der noch Internetzugang hatte. Von dort aus haben wir Material vom Tahrir-Platz und Material, das wir von Freunden aus Alexandria bekamen, in die Welt gesendet. Das war eine Art Social-Network-Informations-Hub.
Wie organisiert man unter solchen Umständen die alltäglichen Dinge?
Zum einen brachten uns Unterstützer Essen, Wasser und Medizin. Zum anderen sammelten wir Geld, und ein paar Leute zogen los, um die notwendigen Sachen einzukaufen und reinzuschmuggeln. Am Anfang war das schwierig, denn die Polizei und die Schläger versuchten die Versorgung zu unterbinden. Durch sie haben wir viel Essen und Medizin verloren.
Wie behält man den Überblick, wie viel wovon gebraucht wird?
Vieles passierte spontan, anderes nicht. Gerade die Versorgung mit Decken oder Zelten übernahmen Aktivisten, die Erfahrung damit hatten, große Mengen unter vielen Menschen zu verteilen.
MONA SEIF, 24, Forscherin für Krebsbiologie an der Uni Kairo, Aktivistin und Bloggerin.
Diese und andere Stimmen aus der arabischen Welt können Sie in der Donnerstagsausgabe, 17. Februar, in der taz auf sechs Seiten lesen. Die Beteiligten des Aufstands in Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Ländern sprechen über ihre Ziele, Hoffnungen und Ängste. Am Kiosk oder am E-Kiosk, www.taz.de/ekiosk.
Wie haben Sie die Verteidigung des Platzes bei den Attacken am 2. Februar organisiert?
Auch das geschah eher spontan, glaube ich. Die Leute verteilten sich auf alle Straßen, die zum Tahrir führen, und formten Verteidigungslinien. Am Ägyptischen Museum, wo die Hauptfront der Schlägertrupps war, gab es mehrere Verteidigungslinien. Und wenn irgendwo Verstärkung gebraucht wurde, wurde das mit Lautsprechern durchgegeben. Am Museum wurde auch ein Feldlazarett eingerichtet, um den Leuten Erste Hilfe zu leisten, die nicht warten konnten, in unser besser ausgestattetes Lazarett gebracht zu werden, das in einer Seitenstraße lag.
Stimmt es, dass Ultras den Platz mit verteidigt haben?
Ja, Ultras von den beiden Kairoer Fußballclubs Ahly und Zamalek waren dabei - aber nicht nur bei der Verteidigung des Platzes, sondern in der ganzen Bewegung.
Was war Ihre wichtigste Erfahrung?
Genau dieser 2. Februar, der blutige Mittwoch. Das war der intensivste Moment. Es war auch das erste Mal, dass ich sah, wie weit die Menschen gehen würden. Ab da wusste ich, dass wir den Kampf gewinnen würden.
Einige Leute sprechen von der "Republik des Tahrir". Sie auch?
Diejenigen, die Tag für Tag dort waren, haben ein anderes Ägypten gesehen. Mit tausenden von Menschen zu leben, mit den unterschiedlichsten Hintergründen und mit allen religiösen Richtungen, glücklich zu sein und zueinander zu gehören. Es war eine ausdauernde Gemeinschaft, in der die normalen Probleme von den Straßen Ägyptens nicht existierten: keine sexuellen Belästigungen, keine Diskriminierung wegen der Religion. Wir waren alle verbunden durch einen Grund. Und nur das zählte.
Was wird aus dieser Erfahrung?
Es ist jetzt jedem von uns überlassen, die Werte des Tahrir zu verbreiten. Das bedeutet Arbeit. Aber das ist es wert.
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