Doppel-Wahlkampf in Hamburg: Legale und nicht ganz legale Wahlkampftricks
Eigentlich dürfen in Hamburg erst ab Freitag die Wahlplakate aufgehängt werden, doch die Stadt ist schon voll plakatiert. Das nervt gewaltig!
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M an muss sich Sören Platten als einen glücklichen Menschen vorstellen, wenn er durch seine Heimat spaziert. In Altona kann er sich schon seit Wochen ständig selbst betrachten, manchmal sogar alle vier, fünf Meter. Viel wichtiger noch: Alle anderen kennen jetzt sein Gesicht, seinen entschlossenen Blick, sein erwartungsvolles Lächeln. Und das hat er sich doch auch durch Fleiß und Intelligenz verdient! Wenn die Konkurrenz nur aus Schnarchnasen besteht und nicht das ABC der kleinen Wahlkampf-Tricks beherrscht – Pech gehabt!
Es sind heute nur noch 31 Tage bis zur Bundestagswahl und da möchte der Altonaer SPD-Politiker gern ein Mandat gewinnen. Und falls das nicht klappt: Eine Woche später wählen die Hamburger:innen ja auch noch die Bürgerschaft. Dafür hat sich der in Sachen Politkarriere ambitionierte Platten auch aufstellen lassen, falls das mit dem Bundestag nichts wird.
Dass man ihn seit ein paar Wochen schon betrachten kann, liegt aber natürlich gar nicht an den bevorstehenden Wahlen. Wahlplakate sind in Hamburg, das weiß Platten sicher allzu gut, erst ab dem 24. Januar erlaubt. Aber er nutzt eine Lücke in den Vorgaben – bei den Plakaten handelt es sich doch nicht um Wahl-, sondern um Veranstaltungswerbung: An einem Infostand will der Lokalpolitiker mit Bürger:innen ins Gespräch kommen, ist da zu lesen. Exakt wie vorgegeben nimmt dieser Hinweis die untere Grenze von 25 Prozent der Plakatflächen ein.
Wie Handtücher auf den Sonnenliegen am Pool hat sich Platten aber so schon mal die besten Plätze im öffentlichen Raum gesichert. Schließlich reicht es, wenn er ab Freitag den Veranstaltungshinweis mit einem Wahlhinweis überklebt. Und das Gesicht des Kandidaten kennen auch unfreiwillig schon alle in seinem Wahlkreis.
Empfohlener externer Inhalt
Regeln werden nicht beachtet
Zugegeben: Auch die anderen Parteien nutzen diese Lücke in großem Umfang, wenn auch nicht so massiv wie die Sozialdemokrat*innen. Nervig ist es bei allen gleichermaßen, vermitteln sie doch kaum Inhalte, sondern zeigen nur die Visagen der Kandidierenden. Doch vielleicht ist diese Strategie nicht einfach ärgerlich, sondern schlicht illegal: Der von Platten auf zig Plakaten beworbene Infostand war bereits am 28. Dezember. Der Vorgabe zufolge müssen solche Werbeplakate spätestens neun Tage nach der Veranstaltung abgehängt werden.
Und eigentlich darf solche Veranstaltungswerbung nur maximal 1.500 Meter vom Veranstaltungsort entfernt hängen, so steht es in der „Fachanweisung über die politische Werbung auf öffentlichen Wegen mit Werbeträgern“. Diese Grenze überschreiten viele seiner Plakate. Bei anderen Parteien wiederum, etwa Volt, ist der Veranstaltungshinweis so klein, dass die 25-Prozent-Grenze offensichtlich unterschritten wird.
Mehr als Kopfschütteln ist beim Betrachten solcher Plakate wohl dennoch kaum drin, wer will dagegen schon juristisch vorgehen? Aber immerhin: Klagen von Politiker*innen über zerstörte Wahlplakate, die bei vergangenen Wahlen immer mal wieder auftauchten, muss man auch nicht mehr so ernst nehmen. Bei einigen fühlt sich Zerstörung wirklich angebracht an.
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