Dopingförderung in der BRD: Steuergelder für Anabolikaversuche
Eine Studie der HU Berlin beschreibt systematische Dopingexperimente in Westdeutschland seit 1970 – auch an Minderjährigen. Das berichtet die „Süddeutsche”.
BERLIN afp | Die Erforschung von Dopingmitteln ist einer Studie zufolge in der Bundesrepublik jahrelang auch aus Steuermitteln finanziert worden. Wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf eine noch unveröffentlichte Studie der Berliner Humboldt-Universität (HU) am Samstag berichtete, finanzierte der Staat über das 1970 gegründete Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) über Jahrzehnte Versuche mit leistungsfördernden Substanzen wie Anabolika, Testosteron, Östrogen oder dem Blutdopingmittel Epo.
Spätestens seit Beginn der siebziger Jahre seien Sportler in der alten Bundesrepublik systematisch und organisiert gedopt worden, schreibt die SZ unter Berufung auf den 800 Seiten starken Bericht „Doping in Deutschland von 1950 bis heute“.
Darin soll detailliert aufgeführt sein, in welchem Umfang und mit welcher Systematik zu Zeiten des Kalten Krieges auch in Westdeutschland Doping und Dopingforschung betrieben wurden. Laut den SZ-Autoren geschah das nicht etwa als Reaktion auf das Staatsdoping in der DDR, sondern parallel dazu.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich für ein nationales Anti-Doping-Gesetz ausgesprochen. Das sagte der CSU-Parteichef der Main-Post. Doping, so Seehofer, zerstöre den Sport. Aus Seehofers Kabinett hat sich bereits Justizministerin Beate Merk für ein „wirksames Anti-Doping-Gesetz“ ausgesprochen. Sie fordert eine „Strafbarkeit des Besitzes von Arzneimitteln oder Wirkstoffen zu Dopingzwecken ab dem ersten Milligramm“. Zunächst müsse jedoch die Frage der Zuständigkeit gelöst werden: Sport- oder Strafgerichtsbarkeit. „Bei der Strafgesetzgebung besteht das Problem, dass Sportler bei Verdacht nicht suspendiert werden können und diese etwa bei Olympischen Spielen starten dürften“, so Seehofer. Auch aus diesem Grund wehrt der Deutsche Olympische Sportbund sich strikt gegen ein staatliches Anti-Doping-Gesetz.
Der konkrete Umfang und die genauen Kosten des staatlich unterstützten Dopings sind unklar. Den HU-Historikern zufolge verteilte das BISp jedoch allein zehn Millionen D-Mark an die zentralen sportmedizinischen Standorte in Freiburg, Köln und Saarbrücken.
Die Risiken wurden häufig verschleiert
Bei den Forschungsaufträgen sei es vordergründig meist um den Nachweis gegangen, dass bestimmte Stoffe gar nicht leistungsfördernd seien. Stellte sich dann aber wie im Fall von Anabolika oder Testosteron heraus, dass das Gegenteil zutraf, seien Präparate rasch zur Anwendung gekommen. Risiken und Nebenwirkungen seien häufig verschleiert worden.
Der Dopingmissbrauch zog sich der Studie zufolge quer durch zahlreiche Sportarten, darunter Leichtathletik und Fußball. Zudem zeigt der Bericht laut SZ, dass westdeutsche Sportmediziner sogar vor Minderjährigen-Doping nicht zurückschreckten.
Bereits 1988 sei mit Epo experimentiert worden. Die Politik sei eingeweiht gewesen und habe das System weniger bekämpft als befördert. Laut SZ ist ungewiss, ob die Studie veröffentlicht wird, die das BISp 2008 selbst in Auftrag gegeben habe. Das Institut werfe den Forschern die Verletzung des Datenschutzes vor, weil sie Namen von belasteten Ärzten und Funktionären nannten. Auch nach einer Überarbeitung wolle das Institut die Studie weiter nicht publizieren.
Da immer noch zahlreiche aktive Funktionäre, Sportler, Ärzte und Politiker belastet werden, zögerten auch die HU-Forscher mit der Veröffentlichung. Sie hätten von ihrem Auftraggeber Rechtschutz gefordert, dies habe das BISp aber abgelehnt, berichtete die SZ.
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