Dopingaffäre um Ophélie Claude-Boxberger: Epo für Ophelie
Der Dopingfall der französischen Hindernisläuferin Ophélie Claude-Boxberger ist so unfassbar, als wäre er für eine Netflix-Serie gescriptet.
Was der siebenfache Sieger der Tour de France in den Weihnachstagen des Jahres 2017 gemacht hat, ist kein großes Geheimnis. Lance Armstrong hat sich auf Netflix die mit einem Oscar prämierte Dokumentation „Icarus“ über das staatlich orchestrierte Dopingsystem in Russland auf Netflix angesehen. Sie hat ihm gut gefallen. Das hat er via Twitter kundgetan.
Was Armstrong von der ebenfalls bei Netflix einzusehenden Doping-Doku „Ausgebremst“ über sich selbst hält, ist nicht überliefert. Und ob er sich im Spielfilm „The Program – Um jeden Preis“ über seine Karriere, in der er als klassischer Bösewicht angelegt ist, gut getroffen fühlt, das weiß man auch nicht so recht. Das Leben (Krebs) und die Karriere (Tour) von Lance Armstrong haben wahrlich genug Stoff für die Plot-Twist-verwöhnte Netflix-Kundschaft geliefert. Doch da geht noch mehr.
Was gerade in Frankreich rund um den Dopingfall der Hindernisläuferin Ophélie Claude-Boxberger erzählt wird, ist so unfassbar, dass man sich kaum vorstellen kann, dass es das Leben ist, das diese Geschichte schreibt. Wie ausgedacht wirkt, was seit dem positiven Epo-Test bei der 31-jährigen Läuferin im September berichtet wird.
Klar und wenig überraschend: Die Sportlerin zeigte sich entsetzt über das Analyseergebnis. Dann gab es ein Geständnis. Ihr Betreuer Alain Flaccus sagte aus, ihr heimlich das Mittel, das den Sauerstofftransport im Blut erleichtert, verabreicht zu haben. Er habe sie massiert, dabei sei sie eingeschlafen, woraufhin er zur Spritze gegriffen habe.
Missetäter wird Stiefvater
Flaccus hat die Karriere von Claude-Boxberger von Anfang an begleitet. Er war ihr Trainer, bis sie ihn des Missbrauchs bezichtigte. Daraufhin wurde Flaccus suspendiert. Später tauchte der Mann wieder im Leben der Läuferin auf. Er hatte ihre Mutter geheiratet. Der Missetäter von einst war Claude-Boxbergers Stiefvater geworden und wurde wieder Betreuer der französischen Hindernismeisterin von 2015.
Die war in den vergangenen Monaten mehr und mehr in die Kritik geraten, weil sie sich sportlich nicht weiterentwickelt hat. Man warf ihr vor, sich nicht mehr ausreichend auf ihre Karriere zu konzentrieren. Ihr neuer Lover lenke sie ab. Der heiß Jean-Michel Serra und ist Verbandsarzt der französischen Leichtathleten. Womit wir beim Motiv wären, über das in der französischen Sportpostille l’Équipe wie folgt spekuliert wurde: Mutter und Stiefvater wollten durch den Dopingfall einen Keil in die Beziehung der jungen Athletin zu dem doch viel älteren Sportarzt treiben. Serra ist derweil in die Kritik geraten, weil er sich in einem Brief an die französische Anti-Doping-Agentur darüber beschwert hatte, dass seine Freundin zu oft getestet würde.
Weil man das so macht und weil der komplexe Fall keiner mehr wäre, wenn die B-Probe ein negatives Ergebnis zeitigen würde, verabredete Claude-Boxberger einen Termin zur Öffnung der B-Probe in ihrem Beisein. Der musste nun verschoben werden, weil die französische Bahn gestreikt hat, was Erinnerungen weckt an das irre Wettrennen mit einem Zug um die Dopingprobe des Rennradlers Rachel Dard.
Der war 1976 nach einem Rennen in Dax zur Kontrolle gebeten worden und ließ aus einem Kondom, das er unter seine Unterhose geschoben hatte, fremden Urin ins Reagenzglas fließen. Der zuständige Dopingdoktor bemerkte den Beschiss, versiegelte eine leere Flasche als Beleg und machte sich im Zug auf den Weg nach Paris. Dard stieg ins Auto, raste Richtung Hauptstadt und fing den Arzt am Bahnhof ab. Dort bat er ihn unter Tränen, die Flaschen zu zerdeppern, was der Doktor tatsächlich tat. Am Ende flog all das doch auf, auch weil Dard nicht der Einzige war, der in diesem Jahr fremden Urin abgegeben hatte.
Netflix, bitte übernehmen Sie! Lance Armstrong würde sich gewiss freuen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen