Doping-Symposium: "Nur Lippenbekenntnisse"

In Freiburg diskutieren Doping-Bekämpfer wie Richard Pound über Betrug im Sport. Ausgerechnet die Skandal-Vergangenheit der dortigen Sportmedizin wird ausgespart.

"Sportler reden nicht, Trainer reden nicht, Betreuer reden nicht": Richard Pound, Chef der Welt-Antidoping-Agentur Wada. Bild: dpa

FREIBURG taz | Der Titel klingt harmlos. "Sportmedizin und Doping in Europa" hat die Freiburger Universität das Symposium getauft, das am Montag begann. Doch hinter dem allgemein klingenden Titel versteckt sich Brisantes: Von dieser Hochschule aus steuerten Sportmediziner das Doping des Radsport-Teams Telekom in den erfolgreichen 1990er Jahren.

Der sogenannten Großen Kommission zur Aufdeckung dieser Vergangenheit aber wird immer wieder Sand ins Getriebe gestreut. So sucht deren Vorsitzende Letizia Paoli ihr Heil in dem Mittwoch endenden Symposium. Das ist hochkarätig besetzt und bietet die Gelegenheit, den Stand von Antidopingmaßnahmen zu bestimmen und in die Zukunft von Dopingvermeidung und Sportmedizin zu blicken.

Es irritierte allerdings, dass die Untersuchung der Vorgänge in Freiburg selbst bislang weitgehend ausgespart blieb und die Öffentlichkeit auf den Abschlussbericht im Jahre 2012 vertröstet wird. "Wir brauchen Zeit", bat Paoli um Verständnis. "Wir haben mit Befragung von Zeitzeugen begonnen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Das ist sehr aufwändig", erklärt sie.

50 Zeugen, ehemalige Mitarbeiter der Freiburger Sportmedizin, frühere Patienten und internationale Experten, will sie insgesamt befragen. Das ist ein erfrischender Zugang. Er weist aber zugleich auf Hindernisse hin. "Aus Datenschutzgründen sind uns einige Dokumente, darunter Krankenakten, nicht zugänglich", sagt Paoli.

Und auch die meisten direkten Beschuldigten ziehen es vor zu schweigen. "Sportler reden nicht, Trainer reden nicht, Betreuer reden nicht. Und Funktionäre liefern nur Lippenbekenntnisse", fasste auf dem Kongress der Gründungsdirektor der Welt-Antidoping-Agentur Wada, Richard Pound, die Situation zusammen.

Illegales Labor aufgespürt

In Baden-Württemberg versucht die neue Landesregierung, sich mit einer scharfen Antidopingpolitik von ihren Vorgängern abzusetzen. Die grüne Kultusministerin Theresia Bauer will sogar eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping gründen.

Bisher gibt es das nur in Bayern - und durchaus mit Erfolg, wie der Münchner Staatsanwalt Kai Gräber der taz vermittelte. "Zuletzt ist es uns gelungen, ein illegales Labor aufzuspüren", sagte Gräber.

Doch an der Freiburger Uni ist die Gemengelage weiterhin schwierig. Kein Angehöriger der hiesigen Sportmedizin wurde als Redner zum Symposium eingeladen. Der von einem früheren Zwischenbericht der Kleinen Evaluierungskommission von jeglicher Verantwortung entlastete Direktor Hans-Hermann Dickhuth, der nach Insiderinformationen ursprünglich doch auftreten sollte, wurde für nicht ministrabel gehalten. Gegenwärtig ist eine Überprüfung seiner Habilitationsschrift wegen vermuteter wissenschaftlicher Mängel im Gange.

"Anti-Doping-Aspekt in die Lehre aufgenommen"

Freiburgs Rektor Hans-Jochen Schiewer zählte immerhin auf, was sich bei der Freiburger Sportmedizin seit dem, Skandal geändert hat: "Jeder Mitarbeiter hat eine Antidopingerklärung unterzeichnet. Rezeptpflichtige Medikamente müssen im Notfallset aufbewahrt werden. Die Patientenbetreuung ist zentralisiert. Sportärztliche Betreuung ist nicht mehr als Nebentätigkeit möglich, sondern Bestandteil der Dienstpflichten. In die Lehre ist der Anti-Doping-Aspekt aufgenommen worden."

Und auch gegen die akademischen Ehren der delinquenten Doktoren Lothar Heinrich und Andreas Schmid behält Schiewer sich Maßnahmen vor: "Wir müssen erst den strafrechtlichen Prozess und auch das Verfahren zur Aberkennung der Approbation abwarten. Danach können wir prüfen, ob ihnen die akademischen Titel genommen werden können."

Beförderungen und dumpfe Stille

Eines muss man Schiewer tatsächlich zugestehen: Er leitet die erste Universität weltweit, die bei Dopingärzten zeitnah und konsequent durchgegriffen hat. Im italienischen Ferrara wurde der Dopingmediziner Francesco Conconi nach dem Auftauchen erster Vorwürfe noch schnell zum Rektor befördert. In Wien, wo das Universitätsklinikum AKH der klandestinen Zusammenarbeit mit der Blutdopingklinik Humanplasma verdächtigt wird, herrscht dumpfe Stille.

Freiburg, das einstige Beschleunigungslabor der Telekom-Profis, wurde während des Doping-Symposiums für drei Tage Sitz der Anti-Doping-Avantgarde.

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