Dokumentation: „Nicht zuzumuten“
■ Brief an Politiker: Ein Ex-Baustaatsrat gegen den Siemens-Hochhaus-Aufbau
Mit diesem Brief nehme ich – ungefragt – Stellung zu den bekannt gewordenen Plänen, das Siemens-Hochhaus aufzustocken. Solche Aufstockung zu einem noch wesentlich höheren Hause würde eine schwere Beeinträchtigung in der Bremer City bewirken. Unsere Stadt lebt davon und ist dafür weltbekannt, dass sie einen besonders guten Maßstab hat und sich diesen über alle Schicksalsschläge bis heute bewahren konnte.
Das beschränkt sich nicht auf die Altstadt oder gar nur auf den Markt und seine engere Umgebung, sondern gilt weit darüber hinaus und besonders auch für die Gebiete rings um die Wallanlagen und den Bahnhofsplatz und seine Umgebung.
Schon die Entscheidung in den 60er Jahren das Tivoli-Hochhaus und das Siemens-Hochhaus errichten zu lassen, hat im Ergebnis so wenig überzeugt, dass sich Senat und Bürgerschaft schon zehn Jahre später entschlossen haben, das Recht, auch auf dem Hillmann-Grundstück ein solches Hochhaus zuzulassen, für vier Millionen Mark zurückzukaufen, d.h. den bestehenden Bebauungsplan zu ändern ... Auch der als sehr hohes Gebäude geplante „Bauhof“ wurde trotz erheblicher Kosten für wertlos werdende Planung nicht gebaut – aus Respekt vor der gewachsenen Stadt.
Zwischen 1974 und 1987 sind Entscheidungen des Senats und der Bürgerschaft gefallen, weitere neun Hochhäuser, die vor 1974 auf Grundstücken in der Altstadt und den wallnahen Vorstädten geplant und teilweise schon in Bebauungsplänen festgesetzt waren, nicht bauen zu lassen. So konnte Bremen bis heute seine Maßstäblichkeit bewahren ...
Wie Sie sich inzwischen im Stadtmodell im Planungsamt selbst überzeugen können, findet die extreme Überhöhung dieses Hauses aber nicht nur keine tragfähige Beziehung im städtebaulichen Gesamtkontext, sondern stört einerseits die Gesamtschau auf die Stadt und wirkt andererseits derartig störend Maßstab verletzend in die Wallanlagen und den Bahnhofs-/Bürgerparkbereich ein, wie es diesen Räumen, die Bremens Ruf als schöne Stadt entscheidend mitbegründet haben, nicht zuzumuten ist.
In der Abwägung aller Belange – auch des fiskalischen Interesses, durch die Zulassung einer Aufstockung höhere Verkaufserlöse zu erzielen – ... kann das Ergebnis nur ablehnend sein, weil außer dem finanziellen Interesse der Stadt nichts für diesen schweren negativen Eingriff spricht.
So wie Sie als Deputation in bewusstem Respekt vor der hohen städtebaulichen Qualität des Bahnhofsplatzes die neue Bebauung dort auf die Höhe der alten begrenzt haben, sollten sie auch dem unmittelbar benachbarten Siemens-Hochhaus keine Aufstockung zubilligen.
Bitte bedenken Sie auch die weiteren Auswirkungen: Verkaufserlöse, die hinter den Erwartungen des Verkäufers zurückbleiben, das gilt für viele Grundstücke in Bremen. Wenn in jedem oder auch nur in einigen Fällen dann von der Möglichkeit Gebrauch gemacht würde, durch entsprechende Manipulation des Planungsrechtes die Nutzung so lange zu erhöhen, bis die Erwartungen des Eigentümers erfüllt werden, bleibt die geplante Ordnung und die Schönheit der Stadt auf der Strecke und das Erbe, das Bremens Ruf begründet hat, und das zu einem Zeitpunkt, an dem Bremen mehr als je auf die überregionale Anerkennung seiner Qualität angewiesen ist und gleichzeitig mehrstellige Millionenbeträge in seine Attraktivität investiert. Das wäre widersin-nig! Eberhard Kuhlenkampff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen