Dokumentarfilm über Depressionen: Am Seil des Lebens

Das Gefühl der Leere und Suizidgedanken: Ein hautnahes Porträt über Depression zeichnet der Dokumentarfilm "Schattenzeit" (22.45 Uhr, RBB) von Georg Theus.

"Die Suizidgedanken kommen nicht von heute auf morgen." Bild: Meikel.inSpirit/photocase

Früher war Olaf leidenschaftlicher Boxer und Musiker. Sein weißer Kapuzenpulli, der Ohrring in seinem linken Ohr, seine kräftige Statur erinnern noch an diese aktive, lebensfrohe Phase. Jetzt spricht er mit tonloser Stimme in die Kamera: "Bei mir hing ein dreiviertel Jahr lang ein Seil von der Decke in unserem Schlafzimmer und meine Frau durfte das nicht abmachen." Olaf erzählt vom Gefühl der Leere, mit dem alles anfing, von den Gedankenkreisen und Selbstmordplänen: "Die Suizidgedanken kommen nicht von heute auf morgen."

Näher als in diesem Dokumentarfilm von Gregor Theus wird man als Außenstehender der Volkskrankheit Depression kaum kommen. So nahe kommt man ihr, dass es fast unerträglich wird. Wenn die Protagonisten mit ihren langsamen, verwaschenen Stimmen erzählen, dann kann man ahnen, wie schwierig es ist, durch den dicken Nebel zu dringen, der die Kranken vom bunten, bewegten Leben der Außenwelt trennt.

Gregor Theus hat sich entschieden, auf eine Off-Stimme zu verzichten. Dadurch entsteht eine große Unmittelbarkeit. Leider bleiben so aber auch viele Fragen unbeantwortet: Man erfährt nichts über die Ursachenforschung zu dieser Krankheit, an der laut Bundesgesundheitsministerium bereits heute 340 Millionen Menschen weltweit leiden, Tendenz steigend. Einige Therapieformen werden angesprochen. Wie diese Therapien und Medikamente wirken (sollen), bleibt aber unklar. Da ist ständig vom EKT die Rede, man sieht Olaf an Geräte angeschlossen, aber dass EKT für Elektrokrampftherapie steht und wie es funktioniert, wird nicht erklärt.

Auch die Angehörigen kommen nicht zu Wort. Das wiederum spiegelt in gewisser Weise die Wahrnehmung der Kranken, für die die Angehörigen irgendwann kaum noch ins Bewusstsein dringen. Zugleich ist dies das große Manko des Films: Er bleibt zu stark auf diese eine Perspektive beschränkt.

Schattenzeit: 24. 2., 22,45 Uhr, RBB.

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