Doku über Lieferkuriere aus Südasien: Ausgebeutete Hoffnung
Tausende Inder:innen liefern in Berlin Essen für dubiose Subunternehmer aus, um ihre Uni-Schulden zu begleichen. Das hat System, zeigt eine neue Doku.
„Du musst härter arbeiten. Und du musst wissen, Uber feuert Lowperformer“, wird ein Lieferdienstfahrer gewarnt, während er seinen Lohn von einem dubiosen Berliner Subunternehmen von UberEats abholt. Aus Angst vor seinen Chefs will er anonym bleiben. Das Geld wird ihm bar in einem Briefumschlag ausgezahlt – der sei diesmal „echt dünn“, weil er sich nicht genügend angestrengt habe, sagt man ihm.
Der Moment lässt sich in der am Dienstag erscheinenden RBB-Doku „Ausgeliefert! Das Geschäft mit den Kurierfahrern“ von Fabian Grieger und Jan Wiese beobachten. Sie beleuchtet die strukturelle Ausbeutung, der indische Kurier*innen von Lieferdiensten wie UberEats, Wolt und Lieferando ausgesetzt sind. Die Doku ist ein Zeugnis des Versagens deutscher Politik, gerechte Umstände für alle hier Arbeitenden zu ermöglichen.
Tausende junge Menschen kommen aus Indien zum Studieren nach Deutschland, einige davon nach Berlin. Sie werden mit dem Versprechen auf ein besseres Leben von Agenturen angelockt und verschulden sich dafür oft massiv. Am Ende profitieren dann vor allem Vermieter*innen, fragwürdige private Unis und betrügerische Unternehmen, für die die Inder*innen oft unter miserablen Arbeitsbedingungen schuften, um sich über Wasser zu halten. Bezahlt werden sie nicht selten weit unter dem legalen Mindestlohn. Die taz berichtete bereits mehrfach über das ausbeuterische System.
Keiner will Verantwortung übernehmen
Shiwani Sharma ist eine der Betroffenen. Um ihr Studium in Berlin zu finanzieren, fing sie an, für einen Subunternehmer von Wolt Essen auszuliefern. Die 3.500 Euro Lohn für drei Monate Arbeit habe sie nie ausgezahlt bekommen. Sie verklagt Wolt, das Gericht entscheidet, Wolt müsse für den Lohn nicht aufkommen – Sharma sei schließlich bei dem Subunternehmen angestellt gewesen. Briefkastenfirmen wie diese seien nur dafür da, deutsches Arbeitsrecht zu umgehen, kritisiert Arbeitsrechtsanwalt Martin Bechert, der Sharma vertritt.
„Vom ersten Tag an hatte ich das Gefühl, ich bin reingelegt worden“, erzählt der Student Parmod Kumar in der Doku: „Mich quälte das sehr“. Er hatte sich an der privaten „Internationalen Hochschule“ eingeschrieben. Auf der Website habe alles seriös ausgesehen, die Uni schien einen guten Ruf zu haben, sagt Kumar. Die bittere Realität offenbarte sich ihm, als er zum ersten Mal zum Campus ging, der im hinteren Teil der „Plaza“ Einkaufspassage in Berlin-Friedrichshain gelegen ist.
Die Doku zeigt ein menschenunwürdiges System, dem vor allem migrantische Menschen in Deutschland ausgeliefert sind. Täglich sind sie mit psychischem Missbrauch durch Chefs, körperlich belastender und kriminell unterbezahlter Arbeit, finanzieller Not und enttäuschten Hoffnungen konfrontiert. Rbb-Story: „Ausgeliefert! Das Geschäft mit den Kurierfahrern“, Dienstag, 2. Dezember, 20.15 Uhr, RBB.
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