Diversity-Umfrage der Berliner Grünen: Mehr Milieus möglich
Die Berliner Grünen stellen eine innerparteiliche Diversity-Umfrage vor. Eine Migrantenquote für Ämter und Mandate lehnt die Parteispitze ab.
Die Doppelspitze der Berliner Grünen lehnt eine Migrantenquote für Ämter und Parlamentsmandate ab. Es seien keine umsetzbaren Modelle bekannt, hieß es am Dienstag von den beiden Landesvorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf. Der türkeistämmige frühere Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu, der eine Rückkehr ins Parlament anstrebt, hatte sich jüngst im taz-Interview für eine solche Quote starkgemacht. Stahr und Graf äußerten sich bei der Vorstellung einer Diversity-Umfrage unter den über 300 Amts- und Mandatsträgern des Landesverbandes.
Alle Berliner Parteien müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Vielfalt der Bevölkerung in den eigenen Reihen nicht ausreichend widerspiegeln, heißt es in deren Vorwort. Die Umfrage unter allen Berliner Parteimitgliedern, die in Kreisvorständen, Arbeitsgemeinschaften, Parlamenten auf allen Ebenen, der Landesregierung oder im Bezirk tätig sind, sollte mehr Klarheit bringen. Rund 80 Prozent oder 252 der Befragten gaben Antwort.
Generelles Fazit der Landesvorsitzenden Stahr und Graf: „Wir sind vielfältiger, als viele von uns selber gedacht haben.“ Dennoch hätten auch die Berliner Grünen Nachholbedarf: „Wenn wir die Stadtgesellschaft stärker als bisher in unseren eigenen Reihen abbilden wollen, müssen wir Menschen aus verschiedenen Milieus noch stärker ansprechen.“
Im Kern bestätigt die Umfrage das Klischee der Grünen als Akademikerpartei: Über 80 Prozent der Amts- und Mandatsträger haben ein Studium abgeschlossen, fast jeder zehnte hat einen Doktor- oder Professorentitel. Um da für andere Gruppen offener zu werden, muss sich aus Sicht von Stahr beispielsweise kommunikativ etwas ändern. „Wir müssen eine Sprache finden, die jeder versteht“, sagte sie.
„Positiv überrascht“
Im Punkt Vielfalt bei der Herkunft sehen sich die Berliner Grünen auf einem guten Weg. „Positiv überrascht sind wir von der Tatsache, dass mehr als ein Drittel eine familiäre Migrationsgeschichte haben“, äußerten sich Stahr und Graf. Familiäre Migrationsgeschichte bedeutet, dass mindestens ein Elternteil oder die Großeltern eingewandert sind.
36 Prozent der teilnehmenden Amts- und Mandatsträger haben das angegeben. Eine Vergleichszahl für alle rund 10.000 Mitglieder des Berliner Landesverbands liegt nicht vor – nach Stahrs Gefühl entspricht der Anteil aber dem der Migranten in der gesamten Berliner Mitgliedschaft.
Der frühere Abgeordnete Mutlu, der im Wahlkreis Mitte erneut für den Bundestag kandidieren will, hatte im taz-Interview vergangene Woche ein Defizit ausgemacht und sich für eine Quote eingesetzt: „Wir müssen dem Gefühl der fehlenden Repräsentanz strukturell etwas entgegensetzen.“
Parteichefin Stahr sympathisiert zwar mit dem Anliegen, hält es aber wie ihr Co-Vorsitzender Graf nicht für realisierbar. „Eine Quote würde schwierig durchzusetzen sein – ich bin trotzdem sehr dankbar für die Diskussion darüber.“ Graf legte nahe, dass allein schon die Debatte darüber Auswirkungen auf die Kandidatenauswahl für die Abgeordnetenhauswahl 2021 haben könnte.
Leser*innenkommentare
Holger Steinebach
In D steht es jedem frei, einer Partei beizutreten und für politische Ämter zu kandidieren. Frauen, Migranten, Handwerkern, Akademikern oder Arbeitslosen.
Nur ist das Interesse in manchen Schichten wohl nicht da - wie will man das mit Quoten beheben? Die Leute mit Gewalt dazu zwingen?
02854 (Profil gelöscht)
Gast
Wenn es einen selber betrifft, ist die Quote für Migranten und Arbeiter bei der weißen studierten Führungsschicht dann doch nicht mehr so beliebt! Auch bei den Grünen.
Ted007
@02854 (Profil gelöscht) Sorry, aber was haben Arbeiter in den Parlamenten zu suchen? Warum sollte man aufgrund niedriger Bildung noch belohnt werden?
05838 (Profil gelöscht)
Gast
Mich erinnern diese Diskussionen an die Situation unseres Betriebsrates, der bis vir drei Jahren zu 90% aus Vertretern der zuständigen Stammgewerkschaft bestand und Listen zur Wahl standen, die vollkommen durchquotiert wurden: Geschlecht, Herkunft, usw. und in dem am Ende keine 30% Vertreter saßen, die in demokratischer Direktwahl ihren Platz im Betriebsrat erhalten hätten. Bei der letzten Betriebsrstswahl gab es dann eine Revolution.
Fakt ist: Quoten sind undemokratisch, egal selche.