Dissidenten in China: Prominenter Bürgerrechtler verhaftet
Er hat über Jahre Oppositionelle als Anwalt vertreten. Jetzt wird Pu Zhiqiang wegen „Unruhestiftung“ angeklagt. Ihm droht eine lange Haftstrafe.
BERLIN taz | Bis zuletzt hatten Pu Zhiqiangs Freunde gehofft, dass der 50-jährige Jurist zum Wochenende aus dem Polizeigewahrsam nach Hause zurückkehren könnte. Doch nun ist zu befürchten, dass sich Pu, einer der prominentesten Bürgerrechtsanwälte Chinas, auf eine lange Gefängnisstrafe gefasst machen muss.
Am Freitagabend gab die Pekinger Polizei auf ihrem Mikroblog in einer Kurzmeldung bekannt, dass Pu vor Gericht gestellt werden soll. Er werde wegen „provozierter Unruhestiftung“ und „rechtswidriger Beschaffung von Informationen über Personen“ angeklagt. Im chinesischen Internet reagierten viele Leser bestürzt, die Zensur löschte ihre zornigen Kommentare schnell wieder.
Pu gehörte zu fünf Bürgerrechtlern, die am 6. Mai von der Polizei festgesetzt worden waren. Sie hatten sich zuvor in einer Wohnung zum Gedenken an die Tiananmen-Demonstrationen und ihr blutiges Ende am 4. Juni 1989 getroffen. Ein Foto des Treffens hatten sie ins Internet gestellt. Die anderen Festgenommenen kamen nach wenigen Tagen frei. Am Freitag endete die 37-Tage-Frist, nach der die Polizei nach chinesischem Recht Festgenommene wieder gehen lassen oder Anklage erheben muss.
Was sich genau hinter den gegen Pu erhobenen Beschuldigungen verbirgt, ist noch nicht bekannt. Der 87-jährige Zhang Sizhi, ebenfalls Anwalt und Freund des Verhafteten, hatte den diabeteskranken Pu letzte Woche besuchen dürfen. Er berichtete, dass Pu nach bis zu zehnstündigen Verhören gesundheitlich angeschlagen sei.
Pu gehört zu jenen kritischen Intellektuellen Chinas, die sich nach dem 4. Juni 1989 entschlossen, im Land zu bleiben. Freundlich, aber beharrlich pocht er seither auf die von der chinesischen Verfassung garantierten Rechte – und scheut sich nicht, politisch unliebsame Probleme aufzuspießen. So setzte er sich etwa für die Abschaffung des Systems der „Umerziehung durch Arbeit“ ein, nach dem die Polizei jeden ohne Gerichtsurteil bis zu vier Jahre in Arbeitslager sperren konnte. Zuletzt griff Pu ein besonders heikles Thema auf: die außerhalb des Justizsystems existierenden Gefängnisse und als „Shuanggui“ bekannten Folterzellen und Verhörpraktiken der Kommunistischen Partei. JUTTA LIETSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!